Batman (US 1989)

Mit dem Film Batman [1] brachte Tim Burton einen Superhelden zurück auf die sogenannte große Leinwand, der zwar seit 1939 existent, aber lange Zeit im Rahmen von Film und Fernsehen in Form von Realverfilmungen abwesend gewesen war.

Zudem hatten sich durch Comics und Graphic Novels wie Batman  - The Killing Joke [2] und BATMAN: THE DARK KNIGHT RETURNS [3] die Sichtweise auf den Dunklen Ritter und die Stilistik desselben geändert, wodurch der einstige strahlende kostümierte Held, der ein ums andere Mal Bösewichte zur Strecke bringt, eine besondere, reflektierende und zunehmend düstere Ebene bekommt.

Eng mit dieser Wandlung verbunden ist die Figur des Joker, der bereits 1940 [4] eingeführt worden war und sich über die Zeit zur Batmans Nemesis entwickelt hatte.

Es ist somit nicht weiter verwunderlich, dass sich Tim Burton diese Konstellation für sein erstes Batman Projekt aussuchte.

Was allerdings bemerkenswert und damit die Grundlage für die folgende Auseinandersetzung ist, ist der Raum, den der Regisseur dem sogenannten Clown Prince of Crime gibt. 

 

Einer Auflistung der Screen Times der wichtigsten Figuren auf www.imdb.com zufolge liegen zwischen der Präsenz von Michael Keaton und der von Jack Nicholson lediglich fünfzehn Sekunden [5] zu Gunsten des Batman-Darstellers. Dafür bekommt der Joker erstmals einen Namen und zudem eine ausführliche und von der bereits existenten leicht differierende Origin-Story verpasst.

Im weiteren Verlauf dieses Textes möchte ich klären, welche Bedeutung der Joker für Burtons Verfilmung hat. Anhand der Exposition des Films und der besonderen Bedeutung der Ursprungsgeschichten, die aus Wayne Batman und aus Napier Joker machen, möchte ich zeigen, wie Burton die beiden Figurenkonstellationen Wayne/Batman und Napier/Joker anlegt und wie er sie dementsprechend in den Film integriert.

Ferner möchte ich die Frage in den Raum werfen, ob es nicht ehrlicher gewesen wäre, dem Film nicht „Batman“ als Titel zu geben, sondern vielmehr „Joker“.

Zu Beginn von Batman simuliert Burton das tragische Ereignis aus der Zeit, als Bruce Wayne noch ein kleiner Junge war. [6] Gezeigt wird ein Familie (Vater, Mutter, Kind), welche ein Kino verlässt und sich auf den Heimweg begibt. Es dauert nicht lange, da werden sie überfallen. Zuschauer*innen, die sich mit der Figur des Batman auskennen, erwarten nun, dass die Kriminellen die Eltern erschießen und den Jungen zurücklassen. Tatsächlich enttäuscht Burton diese Erwartungen. Batman ist hier bereits existent und hat sich, wenn auch gerüchteweise, einen Namen als Verbrechensbekämpfer gemacht.

Wie aus dem Nichts erscheint der maskierte Rächer und schafft es, der Familie Gerechtigkeit zuteilwerden zu lassen.

Diese Eröffnungsszene ist zweifellos gedreht in Anlehnung an das auslösende Moment in Bruce Waynes Jugend, doch zeigt sie eben nicht jene Ermordung. Im Gegensatz zu anderen Batman-Reboots wird der Tod von Bruce Waynes Eltern erst wesentlich später inszeniert und selbst dann nur mit besonderer Konnotation. [7]  

Denken wir uns den Film im Rahmen der Struktur einer klassischen Hollywood-Erzählung.

Gemessen an den Argumentationen von David Bordwell, präsentiert ein solcher Film „psychologically defined individuals who struggle to solve a clear-cut problem or to attain specific goals." [8] Dabei geht es darum, im Rahmen eines "Suzhet[s]" [9] eine „Fabula" [10] zu inszenieren. 

Bordwell schreibt weiter:

 The most „specified“ character is usually the protagonist, who becomes the principal causal agent, the target of any narrational restriction, and the chief object of audience identification.[11]

Demzufolge ist Wayne/Batman der (nicht zuletzt) namensgebende Held der Erzählung, dessen Schicksal wohl aus- und aufgearbeitet den Zuschauer*innen dargeboten wird. Ihm folgt das Publikum und an ihm nimmt es Anteil. Es ist somit unabdingbar, dass die Zuschauer*innen Informationen über den Dunklen Rächer erhalten und dass er am Ende siegt. 

 

Hier kommt hinzu, dass nach Bordwell ein klassisches Hollywood-Syuzhet eine duale kausale Struktur aufweist, in der zwei Handlungsstränge verfolgt werden. [12]

1.     Romance

2.     Mission

Der Held durchlebt einerseits eine Liebschaft, während er andererseits einer Aufgabe nachgeht. Dabei laufen beide Handlungsstränge parallel zu einander, können aber aufeinander einwirken und führen jeweils auf einen Höhepunkt hin.

Im Falle von Batman ist dies vordergründig gegeben und einfach nacherzählt.

Held: Wayne/Batman; kultiviert, unermesslich reich, bekämpft das Böse

Romance: Wayne und Vicky Vale; lernen sich kennen, verlieben sich, Höhepunkt besteht darin, dass er ihr seine geheime Identität offenbart.

Mission: Batman bekämpft das Böse; insbesondere den Joker, besiegt am Ende den Joker.

Eine Verknüpfung ist gegeben in dem Moment, da der Joker Vale entführt und Batman somit den Joker besiegen muss, um Vale retten zu können.

Wenn wir allerdings einen näheren Blick auf die Bedeutung der Figuren für das Syuzhet werfen, so können wir leicht erkennen, dass Wayne/Batman als Held weit weniger strahlend ist als es den Anschein hat.

 

Am Anfang des Films werden im Rahmen einer Exposition alle relevanten Figuren eingeführt. [13]
Setzen wir für Batman das Ende der Einführung bei Minute 30 und umfassen das Geschehen bis einschließlich der Szene in der Chemiefabrik, die mit der „Geburt“ des Jokers endet.

Als erste wichtige Figur sehen wir Batman ab Minute 4. Bereits vier Minuten später ist Jack Napier im Bild und dann noch einmal ab Minute 15. Bruce Wayne erscheint erst in der Minute 18 und eine Verbindung zwischen Wayne und Batman wird in Minute 23 hergestellt.

Bereits eine Minute später beginnt die Sequenz in der Chemiefabrik, in der Batman und Napier das erste Mal auf einander treffen. Der fatale Querschläger verletzt Napier in Minute 29 und kurz darauf (Minute 30) erhebt sich die bleiche Hand Jokers aus dem Kessel.

Soweit zum zeitlichen Kanon. Inhaltlich und damit die Art, wie die Figuren den Zuschauer*innen narrativ vermittelt werden, gibt es große Unterschiede.

 

Jack Napier erfahren wir immer handelnd oder aber von Handlung sprechend.

Bereits bei seinem ersten Auftritt erfahren wir, dass er die rechte Hand von Carl Grissom, dem Oberhaupt der Unterwelt Gothams, ist und dass ohne ihn die Macht Grissoms wanken würde. Zudem bezeichnet Napier seinen Boss als alt und er unterhält eine geheime Liebesbeziehung zu dessen Lebensgefährtin. Napier lässt hier erahnen, dass er intrigant ist und kurz davor steht, Grissom durch sich selbst zu ersetzen. In der Szene in Grissoms Büro [14] scheint er es sich gemütlich gemacht zu haben. In einem Sessel fläzend hat er sogar seine Füße hochgelegt.

Was die zukünftigen Ereignisse Napiers angeht, wird von Beginn an mit Dynamik gespielt. Nicht nur plant

Napier den Umsturz. Grissom weiß davon offensichtlich und plant seinerseits Napier zu beseitigen. [15]

Batman wird von Burton indes anders dargestellt. Der Superheld mutet gar nicht so super (lat.: über) an. Vielmehr wirkt er unbeweglich und starr.

Langsam schwebt er zu Boden. [16]Dies wirkt zwar erhaben und überaus theatralisch. Allerdings wird Batman dabei von niemandem gesehen –nicht einmal von den beiden Verbrechern, denen er das Handwerk legen möchte-, was die Frage aufwirft, weshalb er das überhaupt macht. Die einzigen Personen, die bei diesem Manöver zugegen sind, sind die Zuschauer*innen vor der Leinwand. Ihnen wird gezeigt, dass der dunkle Rächer geräuschlos in Aktion treten wird.

Langsam scheint er sich (off screen) auf die beiden Verbrecher zuzubewegen. Erst als er sich genau über ihnen befindet, realisieren sie, in was für einer Situation sie sich befinden.

Doch die anfängliche Angst über diese Bedrohung weicht schnell dem Willen zur Wehr und so zückt einer der Verbrecher umgehend eine Pistole und schießt auf Batman, der daraufhin zu Boden geht. Ähnlich der Figur des Michael Myers aus Halloween [17] gibt sich Batman als unsterbliches Steh-Auf-Männchen, welches nach den Schüssen problemlos und genauso langsam weitermacht wie zuvor.

 

Im Gegensatz zu Batman ist Bruce Wayne kein Gerücht, sondern in doppelter Hinsicht wohl bekannt. Wayne ist Eigentümer der Firma Wayne Enterprises und Mitglied der gesellschaftlichen Oberschicht und offensichtlich Gast auf bzw. Gastgeber von Charity-Events. Vor allem die Pressefotografin Vicky Vale, die unter anderem für die Magazine Vogue und Cosmopolitan tätig ist [18], kennt ihn [19]. Dennoch steht sie ratlos vor ihm und erkundigt sich nach Bruce Wayne. [20]

 

Burton spielt hier mit den Erfahrungen und dem Vorwissen der Zuschauer*innen. 1989, also in dem Jahr, in dem Batman in die Kinos kommt, feiert die Figur fünfzigjähriges Jubiläum. Es ist somit durchaus vorstellbar, dass das Publikum wenigstens eine Idee von Wayne/Batman hat. Wir können auch davon ausgehen, dass das Publikum zum Großteil aus Fans der Comicvorlage besteht und sich bestens mit der Materie auskennt, was auch das Problem an der Situation darstellt.

 

Bordwell sieht in den Zuschauer*innen keine passiven Rezipienten, sondern aktive Beobachter*innen [21], die dementsprechend genau verfolgen, was auf der Leinwand geschieht. Sie nehmen nicht nur wahr, sondern verarbeiten alles kognitiv. [22]

Burton bricht ganz bewusst mit dem Bild, welches die Zuschauer*innen von Wayne/Batman haben.

 Vale: Excuse me. Could you tell me, who of these guys is Bruce Wayne?
Wayne: Well, I’m not sure. [23]

 

Burton inszeniert Wayne als einen Playboy, der Vales Frage mokierend kommentiert.

Sicherlich ist dies als komisches Element zu verstehen, welches auf die Identifikation der Zuschauer*innen als langjährige Kenner*innen mit Wayne/Batman anspielt, dennoch stellt sich die Frage, wie Wayne darüber hinaus wirkt, wenn er innerhalb der Diegese nicht einmal von Fotograf*innen erkannt wird.

Auch der Umstand, dass der Butler Alfred immer in seiner Nähe ist oder gar sein muss, damit kein Missgeschick geschieht, [24] wirkt wie eine Karikatur der Beziehung zwischen dem Master und dem Diener, der gleichsam Vertrauter und Familienersatz in sich vereint.

In der darauf folgenden Szene, in der sich Knox und Vale in der Halle befinden, in der wie in einem Museum Kriegerrüstungen ausgestellt sind [25], wird das Image vom reichen Mann intensiviert und die Langsamkeit des Figurenduos Wayne/Batman ausgebaut.

Diese Langsamkeit bezieht sich hier vor allem auf die Handlung, die je nach Figur unterschiedlich vorangetrieben wird.

In den Sequenzen, in denen Napier im Zentrum steht, wird eine Situation elaboriert und eine Handlung initiiert bzw. in Aussicht gestellt. Es werden Figurenkonstellationen ausgearbeitet und Konfliktpunkte hergestellt.

Dem gegenüber stehen die Wayne-/Batman-Momente. Sie geben wenig bis keine Hinweise auf Kommendes. Auf der einen Seite wird Wayne/Batman so in einen mysteriösen Nebel getaucht. Auf der anderen Seite ist dieser Teil des Syuzhets wenig progressiv.

 

In den Szenen im Anschluss an die Exposition wird diese Gegensätzlichkeit fortgeführt.

In der Dinnersequenz wird Wayne als sozial überfordert dargestellt, wenn er und Vale an den gegenüberliegenden Enden einer langen Tafel sitzen und sich beinahe anschreien müssen, um sich zu unterhalten. [26] Währenddessen werden Hinweise auf Napiers neues Erscheinungsbild gegeben. [27]

Im Anschluss daran sehen wir Vale und Wayne betrunken auf einer Treppe stehen [28] und Jokers Konfrontation mit Grissom, den er dann auch umbringt [29]. Jokers Zusammentreffen mit den Oberhäuptern von Gothams Unterwelt wird schließlich Vale/Wayne gegenübergestellt, welche im Bett liegen und ihre persönliche Beziehung offensichtlich intensiviert haben. [30]

Burton fordert die Zuschauer*innen ganz offensiv. Sie kennen Wayne/Batman und sie wissen auch um den immer wiederkehrenden Bösewicht Joker. Doch in diesem Fall scheint Batmans Nemesis ein unaufhaltsames Unheil zu sein, welches sich ausbreitet, ohne dass der dunkle Ritter etwas davon mitbekommt.

 

Bordwell schreibt: 

The narrative film is so made as to encourage the spectator to execute storyconstructing activities. The film presents cues, patterns, and gaps that shape the viewer’s application of schemata and the testing of hypotheses. [31]

 

Burton wirft das ganze Bild, welches die Zuschauer*innen von ihrem Helden haben, über Bord und zwingt sie, Wayne/Batman von Beginn an zu hinterfragen. Die Prämisse, die die Zuschauer*innen an einen Film stellen, ist die der Erwartungshaltung. Laut Bordwell sind sie bereits empfangsbereit („tuned“) [32], wenn sie den Kinosaal betreten. Sie sind bereit, zu fokussieren („focus“) und willens, all die durch den Film präsentierten Informationen zu überprüfen („test“). [33]

Dabei sind kausale Zusammenhänge besonders wichtig [34], was zeigt, wie sehr die Zuschauer*innen daran interessiert sind, eine glaubhafte Welt durch die Leinwand zu erleben.

Freilich bezieht sich Bordwell an dieser Stelle auf das Wahrnehmen von Filmen im Allgemeinen, doch berücksichtigen wir das ebenfalls von Bordwell angesprochene „prior knowledge“, so können wir leicht eine Verbindung zwischen dem Film und den Comicvorlagen ziehen. Ähnlich wie die Figuren Batman und Joker ist auch der Film nicht losgelöst vom gezeichneten Ursprungstext zu betrachten.

Burton berichtet in der kommentierten Fassung des Films anekdotenhaft von den Folgen, die er erdulden musste, weil er es gewagt hat, einer fremden Person (Vicky Vale) den Zutritt zur Bat-Cave zu erlauben. [35] Für ihn, so der Regisseur, war der Batman-Mythos nie von Bedeutung gewesen, doch die Fans hatten dies, aufgrund ihrer Vorbildung, anders gesehen und ihn in zahlreichen Reaktionen entsprechend auf diesen Punkt aufmerksam gemacht.   

Dass die Herkunftsgeschichte der Joker-Figur in Batman etwas ganz Besonderes ist, liegt vor allem daran, dass der Joker einen bürgerlichen Namen bekommt –Jack Napier.

Über den Unfall im Chemiewerk sind die Zuschauer*innen, die sich schon länger mit der Batman-Thematik auseinandersetzen, bereits informiert [36], doch die ganz spezielle Inszenierung im Film von Tim Burton und die Verbindung mit der Herkunftsgeschichte von Batman macht sie einmalig.

Burton bedient sich nur in Teilen der Motive der Comic-Vorlage. Er zerlegt sie und setzt sie in neuer Konstellation wieder zusammen.

Die Red-Hood-Thematik wird dabei ganz ausgenommen. In Batman ist Napier ein normaler Ganove. Wie in Batman. The Killing Joke kommt es zu Verätzungen durch Chemikalien.

Die Monarch-Spielkarten-Fabrik wird ebenso weggelassen, allerdings behält Burton den Namen

„Monarch“. Er platziert ihn um und macht daraus die Bezeichnung des Kinos, in dem sich die Familie Wayne, in der Nacht, da die Eltern ermordet werden, einen Film ansieht [37]. Während in der Comic-Vorlage die Monarch-Spielkartenfabrik elementar für den Joker ist [38], wird im Film eine Brücke zu Wayne geschlagen.

Burton geht hier ganz intensiv auf das Prinzip von Ursache und Wirkung ein.

In der kommentierten Fassung des Films erklärt der Regisseur die Besetzung des Mörders durch Napier so, dass er sagt, dass in einem Film wie Batman so viele Verbindungen wie möglich geschaffen werden müssen, sofern sie in der vorgegeben Welt möglich sind. [39]

„Having the parents killed the Joker just makes it again more personal. [40]

Dadurch, dass Napier den Grundstein für die Erschaffung des Batman legt, was wiederum dazu führt, dass dieser den Joker hervorruft, knüpft der Filmemacher ein Band, welches unmöglich gelöst werden kann. Burton beschreibt hier eine Herangehensweise, die o Juli J. Parrish als „what if“ bezeichnet wird [41]. Der Regisseur hebt den Film ab vom regulären Kanon und gibt seine eigene Interpretation der Origins wieder. Für Parrish ist Burton ein Art Nomade [42], der einen Grundtext nimmt und diesen nach seinen Vorstellungen verändert. Es geht dabei nicht darum, ein Skript in Szene zu setzen und dabei Veränderungen vorzunehmen. Mit der Neuerzählung der Origins von Batman und Joker tritt Burton abseits dessen, dass er für einen Film verantwortlich ist und damit etwas produziert, für eine gewisse Zeit auch in die Räume der Produzent*innen des Batman-Universums ein [43] und verpasst dem Kanon damit eine neue Facette.

Allerdings sei erneut an die Gewichtung hinsichtlich einer Bedeutung erinnert. In Batman sind die Herkunftsgeschichten nicht einfach integriert, weil jede Figur einen Ursprung hat. Burton macht den Joker, der zunächst noch Jack Napier heißt, zum Ursprung Batmans. 

 

      Batman:

I’m going to kill you,

      Joker: 

      […]

You idiot. You made me, remember?

      Batman:

      […]

You killed my parents.


I made you. You made me first. [44]

 

Es ist beinahe ein Paradox, das an einen Witz oder die Frage nach dem Huhn und dem Ei (Was war zuerst da?) erinnert, denn ohne den Joker gäbe es keinen Batman, doch ohne Batman gäbe es auch keinen Joker. Hinzu kommt, dass Batman während des Kampfes mit dem Joker im Gesicht verletzt wird. [45] Durch das Spiel mit Licht und Schatten scheint es, dass Batmans Gesicht ähnlich entstellt ist, wie die Grimasse des Jokers, was einmal mehr die Verbundenheit der Figuren verdeutlicht.

Gerade diese Verletzung und die Aussage „I‘m going to kill you“ zeigen aber auch, dass es der Joker ist, der über den Dingen schwebt und alles um ihn herum beeinflusst.

Batman ist berühmt für seine „eine Regel. Er tötet nicht. Nicht einmal in Frank Millers BATMAN: THE DARK KNIGHT RETURNS, welche in der Zukunft angesiedelt ist und die gealterten Versionen von Batman und Joker zeigt, schafft es der Dunkle Ritter, seinen Erzfeind umzubringen. Doch in Batman ist die Fassade Batmans physisch angekratzt und damit auch das heroische Bild der Figur, die stets für Gerechtigkeit und Gesetz sorgen möchte.

Ich habe hier exemplarisch aufgezeigt, wie es um die Darstellung der Figuren Wayne/Batman und Napier/Joker im Film bestellt ist. Es ist offensichtlich, dass es ein Ungleichgewicht in der Dynamik und dem Handlungsdrang der Figuren gibt und dass die Konstellation Napier/Joker dabei aktiver ist als die Konstellation Wayne/Batman. Die Langsamkeit und latenten Verwirrung von Wayne/Batman nimmt viel von dem Heldenhaften weg, ohne es aber durch das Düstere aus BATMAN: THE DARK KNIGHT RETURNS oder Batman: Killing Joke zu ersetzen. Burton eliminiert viel von der Persönlichkeit von Wayne/Batman zugunsten eines zunehmend erstarkenden Napier/Joker. Dabei wird den Zuschauer*innen absichtlich vor den Kopf gestoßen. Burton, der selber kein Fan von Batman oder Comics im Allgemeinen ist, aber ein großes Interesse an Killing Joke zeigt [46], orientiert sich nicht an Wayne/Batman, sondern versucht dessen Widersacher in den Mittelpunkt zu stellen. Nicht zuletzt kommentiert er die Besetzung Jack Nicholson als Napier/Joker mit den Worten „He [Nicholson] was the godfather of this movie.“ [47] Bis zum Schluss des Films behält Burton diese Sichtweise bei.

In der Kathedrale wird Batmans Verwirrtheit auf die Spitze getrieben.

Kurz zuvor war Batman mit dem Batwing abgestürzt [48] und wird seither vom Joker für tot gehalten.

Der Dunkle Ritter hat nun das Überraschungsmoment auf seiner Seite, ruiniert es allerdings, als er im Mittelschiff gegen eine Kirchenbank stößt und eine Kettenreaktion auslöst. [49]

Der Gegensatz zwischen Stillstand und Aktion wird hier so groß, dass der Joker den anschließenden Kampf zwischen Batman und den Mitgliedern aus Jokers Bande ignoriert und stattdessen mit der entführten Vicky Vale tanzt [50]. Einzig die Tatsache, dass die Handlanger der Jokers noch unfähiger zu sein scheinen als Batman selber, ermöglicht es dem vermeintlichen Helden, Joker am Ende doch zu besiegen.

Und dabei bedarf auch noch der Deux ex Machina.

Es sind Jokers überbordendes Gefühl von Sicherheit und die Ignoranz der tatsächlichen Umstände, die es Batman ermöglichen, dem Bösewicht habhaft zu werden.

Es ist hier eine „poetic justice“ am Werk, um einmal mehr David Bordwell zu bemühen. [51]

Es ist Teil der Konventionen im Superhelden-Genre, dass der Held am Ende siegen muss und damit ein ordentliches Ende garantiert wird.

Selbst Burton sieht dies so. Den Tod des Bösewichts kommentiert er in der Art, dass er sagt, eine Figur wie der Joker müsse am Ende sterben. [52]

Dennoch gesteht der Regisseur dem besiegten Bösen noch eine letzte Geste zu. Trotz der Tatsache, dass der Joker tot am Boden liegt, bleibt es bei der lachenden Grimasse, die zudem von einem mechanischen Lachen begleitet wird. [53] Obwohl der Joker nun nicht mehr lebt, scheint die Verbindung zwischen ihm und Batman bestehen zu bleiben, und die Frage, ob der Joker am Ende vielleicht doch gewonnen hat, wird ebenfalls gestellt. Immerhin ist Batman mit seinem Seil-Apparat ursächlich dafür verantwortlich, dass Joker in die Tiefe stürzt.

In Burtons Film werden die Rollen getauscht. Wayne/Batman prägt den Film durch Handlungspassivität und tölpelhafte Ungeschicktheit und nimmt damit clowneske Formen an. In seinem Text über die sieben Spielformen des Clowns bezieht sich Richard Weihe explizit auf die vermeintliche mangelhafte Körperbeherrschung von Clowns, die mit ihre Stolper eine „Kontrastfigur zum Artisten“ [54] bilden. Weihe nennt selbstverständlich die Absicht hinter dieser Tollpatschigkeit und schreibt, dass gerade das „[S]cheinbare“ [55] daran die Virtuosität und damit die Komik der Aktion nur erhöhe.

Burton bedient sich dieses „Körperspiel[s]" [56] in Teilen und portraitiert Wayne/Batman so als eine Art Dummen August wider Willen.

Dem gegenüber steht Napier/Joker, der eigentliche Clown des Films. Auch hier findet sich eine der sieben Weiheschen Spielformen wieder. Napier/Joker, der durch Burton, trotz dessen er der Antagonist ist, zum Zemtrum des Films avanciert, setzt um, was Weihe als „Grenzspiel [57] bezeichnet.

In der Darstellung in Batman überschreitet Napier/Joker seine eigentliche Rolle und nimmt den Film ganz für sich ein.

Berücksichtigend, dass der Regisseur für diese Inszenierung verantwortlich ist, besteht die Grenzüberschreitung in diesem Fall aus einem Gemisch aus diegetischen und non-diegetischen Elementen. Rekurrieren wir Bordwells Idee vom klassischen Hollywood-Syuzhets. In diesem wäre der Antagonist nur ein Instrument der Filmemacher*innen, dem Helden/der Heldin als Gegenstand einer Aufgabe auf der Reise, die er/sie zu überstehen hat, zu dienen. Im Falle von Batman gäbe es ohne Napier/Joker keine Reise. Unabhängig davon, dass es im Batman-Universum noch andere Bösewichte gibt, gegen die der dunkle Rächer theoretisch hätte kämpfen können, wäre diese eine spezielle Erzählung, die den Ursprung der Batman-Figur bildet, ohne Napier/Joker nicht denkbar gewesen.

Und genau aus diesem Grund hätte der Film eigentlich „Joker“ heißen müssen.



[1] BATMAN, Regie: Tim Burton, US 1989; Verwendete Ausgabe: BATMAN. 2-Disc Special Edition, US 2014

[2] Moore, Alan, Bolland, Brian, Batman: The Killing Joke: The Deluxe Edition, New York DC Comics 2008 (Orig. BATMAN: THE KILLING JOKE, BATMAN BLACK AND WHITE, New York DC Comics 1988)

[3] Miller, Frank, BATMAN: THE DARK KNIGHT RETURNS. 30th Anniversary Edition, Burbank CA DC Comics 206 (Orig. BATMAN: THE DARK KNIGHT 1-4, DC Comics 1986)

[4] Kane, Bob, Robinson, Jerry, Batman No.1, DC Comics Spring 1940

[5] https://www.imdb.com/list/ls021989515/, letzter Aufruf: 09.08.2018                                                                                            

[6] Batman, 0h01'-03'    
       
[7] Batman, 1h30'-31'            

[8] Bordwell, Narration in the Fiction Film, Madison The University of Wisconsin Press 1985, S. 157

[9] Bordwell, S. 50; Ein System der inhaltlichen Aufarbeitung der Handlung 

[10] Bordwell, S. 50; Durch das Syuzhet zum Ausdruck gebrachte Handlung 

 

[11] Bordwell, S. 158

[12] Bordwell, S. 157

[13] Bordwell, S. 158

[14] Batman, 0h15'-16'

[15] Batman, 0h16'

[16] Batman, 0h05'

[17] Halloween, Regie: John Carpenter, US 1978

[18] Batman, 0h13'h

 

[19] Batman, 0h14'

 

[20] Batman,  0h18'

[21] Bordwell, S. 30

[22] Bordwell, S. 30 

[23] Batman, 0h18'

 

[24] Batman, 0h18'

 

[25] Batman, 0h20'-22'

 

[26] Batman, 0h31'-33'

 

[27] Batman, 0h34'-35'

 

[28] Batman, 0h35'-36'

 

[29] Batman, 0h36'-37'

[30] Batman, 0h37'-40'

[31] Bordwell, S. 33

[32] Bordwell, S. 34

[33] Bordwell, S. 34

[34] Bordwell, S. 35

[35] Batman (Kommentierte Fassung), 1h33'

[36] Erstmalige Erwähnung findet der Unfall in Detective Comics #168 „Batman and Robin the Boy Wonder – The Man behind the Red Hood" (1951), Quelle: Wildman, Robin (Hg.), THE JOKER: A CELEBRATION OF 75 YEARS, New York CA Comics 2014, S. 88
 
[37] Batman, 1h30'
 
[38] DC #168: Die tatsache, dass es sich bei dem Objekt für den Diebstahl um eine Spielkartenfabrik handelt, inspiriert den Red Hood zu seinem neuen namen; KILLING: Monarch-Spielkartenfabrik erneut Ziel des Diebstahls, wird jedoch nie erreicht.
 
[39] Batman (KF), 1h30'
 
[40] Batman (KF), 1h30'
 
[41] Parrish, Juli J., Metaphors we read by: People, process, and fan fiction, http://journal.transformativeworks.org/index.php/twc/article/view/486/401, [5.9] (letzter Aufruf: 30.07.2018) 
 
[42] Parrish [4.5]
 
[43] Parrish [4.8]

[44] Batman,1h54'-55'

[45] Batman, 1h55'

[46] Batman (KF), 0h26'

[47] Batman (KF), 0h08'

[48] Batman, 1h44'

[49] Batman, 1h47'

[50] Batman, 1h51'-54'    

[51] Bordwell, S. 159

[52] Batman (KF),1h59'

[53] Batman, 1h59'

[54] Weihe, Richard, „Die Paradoxie des Clowns – sieben Spielformen in: Weihe, Richard Hg., Über den Clown. Künstlerische und theoretische Perspektiven, Bielefeld transcript Verlag 2016, S. 265-274, S. 270

[55] Weihe, S. 270

[56] Weihe, S. 270

[57] Weihe, S. 269

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