Marlowe (IR, ESP, FR, US 2022)

Die Figur des Privatdetektivs Philip Marlowe entstand bereits in den 1930er Jahren und wurde von keinem Geringeren als dem Krimiautor Raymond Chandler entworfen.
Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte entstanden diverse Romane und Erzählungen und immer wieder wurden und werden diese Geschichten (neu) verfilmt.
Als Inbegriff des moralisch integren Menschen, der umgeben ist von einer Welt aus Korruption und Verbrechen, bleibt Marlowe stets standhaft und sucht unnachgiebig nach der Wahrheit.
Und so verhält es sich auch in der neuesten Verfilmung Marlowe von 2022.

Die schöne und mysteriöse Clare (Diane Kruger) taucht eines Tages in Marlowes (Liam Neesen) Büro auf und engagiert den Privatdetektiv mit dem Auftrag, einen gewissen Nico Peterson (Francois Arnaud) zu suchen.
Es dauert nicht lange, da erfährt Marlowe, dass jener Peterson verstorben sei. Mit dieser Information konfrontiert, gesteht Clare, dies bereits gewusst zu haben, behauptet jedoch, dass Peterson nach wie vor lebendig sei. Marlowe setzt seine Arbeit fort und gerät hierauf in einen Drogenring, der von Mexiko ausgeht und in den Teile Hollywoods verstrickt sind.

Wie alle Geschichten, in denen Marlowe vorkommt, spielt auch diese in und um Los Angeles, doch im Gegensatz zu den anderen Verfilmungen fehlt es diesem Film unter der Regie von Neil Jordan an Zeitgeist und Esprit.
Chandlers Erzählungen leben davon, verwirrend und regelrecht undurchdringlich zu sein.
Filme, die sich um Philip Marlowe drehen, sind vergleichbar mit Heckenlabyrinthen, die unüberschaubar beinahe ausschließlich aus Sackgassen bestehen.
Neben der Hauptfigur, die sich immer wieder behaupten muss, um als Held bestehen zu können, gibt es die Frau, die sich als Femme Fatale entpuppt, mehrere dubiose Gestalten, die alle das Potential zum Antagonisten haben, und diverse andere größere und kleinere Figuren, bei denen wir nie so recht wissen, wer sie sind, wo sie herkommen und hingehen und welche Motivation sie eigentlich antreibt.
Komplette Handlungsstränge führen ins Leere, immer wieder kommt es zu unerwarteten Wendungen und so manches Mal verschwindet eine Figur, ohne jemals wieder aufzutauchen.
Es kommt daher nicht von ungefähr, dass Chandlers Erzählungen gerade im Noir-Kino der 1940er und der 1960er/70er Jahre umgesetzt werden. Psychologisch aufgeladen offenbaren sich Komplexe der Reihe nach und spiegeln die Zeit, in der sie entstehen. Wirtschaftskrisen, Kriege und gesellschaftliche Unruhen dominieren die vorderen Seiten der Zeitungen, in deren Feuilleton Marlowes Abenteuer vorgestellt oder rezensiert werden.
Neil Jordan, der bei Marlowe nicht nur die Regie übernahm, sondern neben William Monahan auch am Drehbuch mitwirkte, hätte die Zeit nicht besser treffen können.
Der Krieg in der Ukraine, die Nachwehen der Corona-Pandemie und die sexuelle Revolution rund um die Gender-Debatten bilden Konflikte, die eine Gesellschaft als Gesamtes erfassen und den Nährboden für ein neues L.A.-Noir-Kino böten.
Leider reduziert sich der Film auf seine Schauwerte und bietet blank poliertes Effektkino mit CGI-Hintergründen und Referenzen an vergangene Tage.
Zwar ist es erfrischend, Neeson endlich einmal wieder in einer Rolle zu erleben, in der die Dialoge länger sind als die anschließenden Schlägereien, und Neesen mimt auch einen passablen Philip Marlowe, doch schafft er es nicht im Alleingang, den Film zu retten, wenn eine Diane Kruger es nie zur Charakterdarstellerin schaffen wird und eine Jessica Lange eine Diven-Aura versprüht, die sie weder hat noch jemals haben wird.
Xavi Giménez ist der Mann hinter der Kamera und er liefert durchaus ab, doch passt sein Handwerk nicht zur Farbgebung und den lächerlichen CGI-Panoramen im Hintergrund.
Es hat etwas comichaftes, wenn die beiden Vorzeige-(Nord-)Iren Liam Neeson und Colm Meaney ein Haus verlassen und zwischen Autos entlang gehen und wir einfach sehen, was davon Requisite ist und was einer grünen Wand entspringt.
Es ist ja in Ordnung, Comic und Noir zu verbinden -gerade Werke wie Sin City und einzelne Batman-Geschichten zeigen dies auf imposante Weise, aber dann muss man auch den ganzen Weg zurücklegen und die künstliche Ästhetik nicht nach einem Drittel der Strecke beiseite schieben.

In der Komplexität der Handlung kann der Film leider auch nicht viel reißen.
Das bisschen Heroin wirkt zu uninteressant, als dass es uns nachhaltig beeindrucken könnte, und der Twist ganz am Ende hat auch zu wenig Zündstoff.

Fazit: Als Einsteigerfilm in den Kosmos des L.A.-Noir ist Marlowe durchaus akzeptabel. Der Film ist auch nicht schlecht per se. Er erfindet das Rad nicht neu, er pumpt es allerdings auch nicht auf. Was interessant wäre, wäre eine Fortsetzung, in der die Figur des Fahrers Cedric (Adewale Akinnuoye-Agbaje) näher in den Fokus rückt. Cedric erhält ganz am Schluss des Films ein Jobangebot, welches denjenigen Anknüpfungspunkt in sich birgt, den wir in diesem Film leider vermissen müssen.

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