Die Trilogie, die keine ist

Jährlich, am 27. Jänner erinnern wir an die Schrecken des Holocausts. Offizielle Personen besuchen an diesem Tag besondere Gedenkstätten, halten Reden und fordern, dass so etwas wie der millionenfache Mord an Menschen, nur weil sie Menschen sind, nie wieder geschehen darf.
Und genau an diesem Tag kommen auch all jene Personen ans Tageslicht, die in Phrasen eine Art Gegenposition zu vertreten scheinen, nach der das Erinnern ein Ende haben sollte.

Im Gegensatz zu den Offiziellen fordern sie einen Blick in die Zukunft bei gleichzeitiger Abkehr von der Vergangenheit.

Dabei ist diese Form der Ignoranz so verklärend wie gefährlich und widerspricht nicht zuletzt der Definition von Lernen.

Dabei ist Lernen so wichtig und im Falle des Massenmords an jüdischen und anderen Menschen während der Zeit des Dritten Reichs so immens greifbar.

Es müssen jedoch nicht immer Offizielle sein, die das Wort in dieser Angelegenheit ergreifen.

Künstler*innen halten den Zeiten, in denen wir leben, stets den Spiegel vor.
Sie ahnen voraus, sie dokumentieren den Moment und sie klagen an. Sie schauen zurück und analysieren das Geschehene.

Hätte dieses oder jenes wirklich so kommen müssen?
Hätten sich die Dinge nicht anders entwickeln können, wenn wir von Beginn an nachgedacht hätten, wenn wir uns nicht blind hätten mitreißen lassen?

Im folgenden Text möchte ich eine Film-Trilogie näher beleuchten, die eigentlich keine Trilogie ist und in ihrer Gesamtheit dennoch erzählt, was erzählt werden muss.

Mit M - Eine Stadt sucht einen Mörder, Casablanca und Der Verloren” spannen wir den Bogen von den Anfängen des Dritten Reichs in den 1930er Jahren bis zum Einsetzen des Vergessens in den 1950er und 60er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland.

Auf den ersten Blick haben die drei Filme nichts miteinander gemein, außer der Tatsache, dass Peter Lorre an allen beteiligt ist.

In M - Eine Stadt sucht einen Mörder verkörpert er vordergründig den Antagonisten, in Casablanca übernimmt er die Nebenrolle, die um den McGuffin des Films herumscharwenzelt, und in Der Verlorene führt er Regie und mimt den Protagonisten.Dabei sind alle drei Filme künstlerisch sehr wertvoll und fordern das Publikum auf einzigartige Arten und Weisen.

In seinen Werken setzt sich Filmemacher Fritz Lang immer wieder mit unterschiedlichen Arten von Gewalt und dem Bösen auseinander.

Nicht nur ersinnt er in Spione (D 1928) mit Haghi einen Prototypen des Superschurken. Langs Antagonisten umgibt oft eine Aura des Wahnsinns, dessen Strahlkraft auf die jeweilige Bevölkerung und Gesellschaft übergreift.

Während Haghi im Spionage-Genre sein Unwesen treibt, ist die titelgebende Figur in Mabuse - Der Spieler (D 1921/22) davon losgelöst und im Thriller heimisch. Mabuse ist Teil einer Unterwelt, die selbst eine Fraktion innerhalb der allumfassenden Gesellschaft darstellt.Der offensichtlich gelehrte Dr. Mabuse spielt mit dem Schicksal der Menschen, er macht sich die Stadt zu eigen und zieht die Zivilbevölkerung mit ins Verderben. Am Ende des zweiteiligen Stummfilms wird Mabuse gefasst und eingesperrt.

1933 wird die Figur erneut diegetisch und auf der Leinwand auf die Öffentlichkeit losgelassen.
Dabei entwickelt Lang in Das Testament des Dr. Mabuse (D 1933) -man bedachte, dass der Schurke nunmehr auch im Titel des Films promoviert hat- einen Gedanken weiter, den er in M - Eine Stadt sucht einen Mörder (D 1931) bereits zur Grundlage seiner Erzählung gewählt hat.

Zu Beginn von Das Testament des Dr. Mabuse stirbt der Schurke in der psychiatrischen Klinik, in der nach den Ereignissen aus Mabuse - Der Spieler eingewiesen worden war.

Mit ihm, so könnten wir glauben, stirbt auch die kriminelle Gewalt, die von ihm ausging.

Mabuse hinterlässt  allerdings ein Schriftstück, wenn wir das so nennen wollen, sein Testament, in dem weitere Verbrechen und Terroranschläge notiert wurden.

Tatsächlich finden diese Verbrechen auch statt, obwohl das Dokument die Klinik nie verlässt.

Langs Idee hinter der Erzählung ist ein Wahnsinn, dem es durch seine Strahlkraft gelingt, sich von der individuellen Person zu lösen und sich frei über die Gesellschaft auszubreiten.

Diese intensive Allegorie war den Nazis übrigens zu heikel, weshalb sie den Film für Vorführungen in Deutschland nicht freigaben.

Kommen wir also auf M - Eine Stadt sucht einen Mörder zu sprechen, den Film, den Lang zwei Jahre zuvor drehte und veröffentlichte.

Hierin geht es um einen Kindermörder, dessen Identität unbekannt ist und den die Polizei nicht zu fassen bekommt. In ihrer Ohnmacht und unter dem Druck von Politik und Zivilbevölkerung verschärft sie die Kontrollen in einschlägigen Lokalen und Gebieten und bedrängt so die gesamte Untergrundgesellschaft.

Schwarzhumorig inszeniert der Regisseur die Entrüstung der kriminellen Ring-Organisation, die sich von den Taten des Kindermörders distanziert und selber beschließt, auf die Jagd nach dem Unbekannten zu gehen. Dabei wird deutlich kommuniziert, dass die Taten des Kindermörders eine untergeordnete Rolle spielen. Der Ring-Organisation geht es allein darum, wieder ein normales Verhältnis zur Polizei zu haben, um entsprechend wirtschaften zu können.

Ich habe eingangs geschrieben, dass Lorre in diesem Film “vordergründig den Antagonisten” spielt.

Die Genialität des Regisseurs, der zusammen mit seiner damaligen Ehefrau Thea von Harbou auch das Drehbuch geschrieben hat, inszeniert den Film nämlich in einer Art, dass Rollenzuschreibungen nur schwer umsetzbar sind.

Lorres Figur ist nicht die Hauptfigur des Films, dafür steht sie nicht genug im Fokus. Sie als Antagonisten zu bezeichnen ist zwar möglich, aber auch wohlfeil.

Im Laufe des Films wird mehrfach auf den möglichen Geisteszustand des Kindermörders eingegangen, aber nie länger darüber nachgedacht.

Bedenken wir, dass die Polizei unter Druck gerät, weil die Zivilbevölkerung Angst vor diesem einen Menschen hat, und dass die Kriminellen einzig ihre wirtschaftlichen Interessen schützen möchten, so fällt es schwer, den Kindermörder als die singuläre Bedrohung im Film und den Hauptkonflikt des Films anzusehen.

Lorres Kindermörder ist einzig ein Symptom, welches es zu eliminieren gilt. An der Krankheit oder der Gefahr hinter dem Symptom ist niemand interessiert.

Der Polizeiinspektor Lohmann scheidet übrigens auch aus, ebenso der von Gründgens verkörperte Schränker, seines Zeichens Anführer der verbrecherischen Ring-Organisation.

Lang lässt die Einordnung der Figuren absichtlich im Vagen und ermöglicht so die Besetzung der Hauptfigur mit den Bewohnern der Stadt, in der M - Eine Stadt sucht einen Mörder spielt.

Die Stadt, die als Berlin identifiziert werden kann, obwohl ihr Name nirgends fällt, die Stadt, die in Panik und Hysterie verfällt, die die Gewalt nicht einordnen kann oder will und die den Kindermörder auf einmal überall zu sehen scheint. Ein kleiner alter Mann kann plötzlich der Mörder sein oder ein Taschendieb oder ein Stamnmtisch-Bruder.

Die Menschen der Stadt sind so irrational blind, dass die bloße Erwähnung des Wortes “Kindermörder” genügt, um die Präsenz des Verbrechers zu spüren.

Ein differenziertes Denken wird zu Gunsten der eigenen Haut, ultimativ vernachlässigt.

Zudem verschwimmen die Fronten im Verlauf des Films zunehmend.

Verbrecher verkleiden sich als Gesetzeshüter und die Polizei greift auf zwielichtige Maßnahmen zurück und immer wieder fallen Begriffe wie “Tier”, “Bestie” und das “Recht auf Leben”.

Lang hält in M - Eine Stadt sucht einen Mörder die Fackel der Allegorie weit hoch und klagt durch die Leinwand hindurch die Menschen im Kinosaal an.

Er gemahnt zur Achtsamkeit und fordert das Publikum auf, nicht der selben blinden Angst zu verfallen, die in Form des Nationalsozialismus mehr und mehr um sich greift.

Bei den Reichstagswahlen 1928 erlangte die NSDAP noch 2,6% der Stimmen. 1930 waren es bereits 18,3%. 1932, also nur ein Jahr nach Langs Film, sollten es im Juli 37,3% und im November 33,1% sein. Im März lag das Ergebnis dann bei 43,9% und schließlich war alles Geschichte.

Die Essenz des Films kann im Schluss mit nur einem Wort, dem Wort Frau Beckmanns, zusammengefasst werden. Dieses eine Wort, welches sie verzweifelt ausruft, als der Film eigentlich schon vorbei und das Bild längst wieder schwarz ist -Ihr.


Wesentlich handfester und unallegorischer geht es in Casablanca (US 1942) zu.

Der mittlerweile vor den Nazis geflohene Peter Lorre spielt hier den Schwarzmarkthändler und
Kleinganoven Ugarte. Sein Schicksal in Casablanca ist gewiss und er macht auch nicht viel, um es abzuwenden. Er verlässt sich zu sehr auf die Bemühungen anderer und bettelt bis zuletzt. Seine Rolle, wie so viele in Michael Curtiz’ Film, ist von ihrer Vergangenheit gezeichnet und von den Nationalsozialisten aus dem eigentlichen Leben herausgerissen worden. Die Figuren in Casablanca sind allesamt entwurzelt und befinden sich, ganz akademisch gesprochen, an einem Nicht-Ort.

Der Film wird eingeleitet mit einer Art dokumentarischem News-Beitrag, in dem berichtet wird, dass im Zuge des zweiten Weltkriegs viele Menschen fliehen müssten, und beschreibt in der Folge eine Fluchtroute, beginnend in Frankreich, über das Mittelmeer nach Nordafrika führend, dann durch die Wüste nach Casablanca in Französisch-Marokko. Von dort soll es weiter nach Lissabon gehen und schließlich in die USA.

Da der Film nicht nur während des Weltkriegs spielt, sondern auch während des Weltkriegs in den US-amerikanischen Kinosälen läuft, hat dieser Film etwas Tagesaktuelles.

Auch, dass der Film mit dem News-Reel einleitet und damit die Universal Newsreel, also eines der US-amerikanischen Pendants der hiesigen Kino-Wochenschauen doppelt, unterstreicht die Wichtigkeit, die sich der Film selbst gibt.

Casablanca, das sollten wir festhalten, ist ein waschechter Propaganda-Film. So sehr das Melodram auch Teil eines kulturellen Erbes geworden ist, mit Referenzen an ein Paris der Vergangenheit und Zitaten darüber, wer wem in die Augen schaut, unterm Strich geht es um den Kampf gegen das verhasste Nazi-Deutschland.

Der Streifen wurde vom OWI, dem Office of War Information, abgenommen und entspricht den Kriterien, die die Behörde an die Filme der Zeit stellte.

Und dennoch ist Casablanca bemerkenswert, da es der Film schafft, sich der Trivialität anderer Propaganda-Filme zu entziehen.

Während in anderen Filmen Mitglieder der SS oder hohe Nazi-Offiziere im Stechschritt marschierend und laut schreiend einer pointierten Lächerlichkeit preisgegeben werden, ist in Casablanca jede Figur ruhig, sittsam und eloquent. Zudem begegnen die Figuren einander auf Augenhöhe, was allein möglich ist, weil Casablanca, so, wie es im Film dargestellt wird, nicht existiert.

Um zu erläutern, was ich damit meine, möchte ich gerne auf den bereits verwendeten Begriff des Nicht-Ortes zurückgreifen.

Die Stadt Casablanca ist im Film Lebensraum und Wartehalle zugleich.

Die Bevölkerung können wir weder als eine homogene noch als eine heterogene Gesellschaft begreifen. Jeder Mensch scheint sich dort als ein vom Rest isoliertes Individuum aufzuhalten. Dass sich einige Menschen zu wirtschaftlichen oder sozialen Gruppierungen zusammenfinden, ist dabei zu vernachlässigen, da niemand von ihnen marokkanischer Abstammung zu sein scheint.

Weder Ugarte, noch ein Mann namens Ferrari passen in das Bild, welches wir von Nordafrika haben. Da ändert auch ein prominent getragener Fez nicht viel.

Hier und da gibt es orientalisch anmutende Figuren, durch die eine kulturelle Prägung allerdings nicht vorangetrieben wird.

Tatsächlich sind europäische und US-amerikanische Typen vorherrschend.

Deutsche, Franzosen, Bulgaren, Italiener, eine Schwedin, ein Tschechoslowake, ein Russe, Ungarn, Österreicher, Asiatien, sie alle repräsentieren die globale Krise, in die die Menschheit durch den Krieg, der vom Dritten Reich ausgeht, gestürzt wurde.

Immer wieder wird vom “unbesetzten Teil Frankreichs” (“unoccupied France”) gesprochen, was eine Farce ist, schließlich wurde die Statthalter-Regierung in Vichy längst etabliert.

Als der Tschechoslowake Victor László seine Nationalität konstatiert, korrigiert ihn Major Heinrich Strasser und sagt, er wäre Tschechoslowake gewesen, nun aber gehöre er zum Deutschen Reich (“You were czechoslovakian. Now you are a subject of the german reich”). Als Rick auf seine Nationalität angesprochen wird, erwidert er, Trinker (“I’m a drunkard.”) zu sein und wird dabei von Renault unterstützt, der ihn zum Weltbürger erklärt (“And that makes Rick a citizen of the world.”).

Es sind Spitzfindigkeiten wie diese, die einerseits die politische Brisanz der Situation kommunizieren und andererseits alles, was in Casablanca geschieht, in einen Schwebezustand versetzen.

Die Menschen, die Nationen angehören, die es nicht mehr gibt, die sich auf einer Reise befinden, bei der Casablanca keinen Fixpunkt ausmachen muss, solange das Geld stimmt und die Gültigkeit von Visa.

Und dann ist da noch die Situation, dass die Figuren dem Feind Auge und Auge gegenüberstehen und weder er noch die Figuren etwas dagegen unternehmen können.

Casablanca ist ein Ort, den es nicht gibt, da er keinen Regeln folgt und nirgends hingehört.
Casablanca ist ein Ort, der frei ist und ohne Zwänge.

Leider, so wissen wir, und so lehrt uns der Film, gibt es keine freien Orte.

Egal, wo wir uns befinden, irgendwelche Regeln gelten immer und im Zweifel sind es die Regeln der Nationalsozialisten, die sich ohnehin an jedes Klima gewöhnen müssen (“We Germans must get used to every climate, from Russia to the Sahara.””.

Weshalb aber das Melodram? könnten wir uns nun fragen? Weshalb all der Wortwitz und die vielen kleinen Ereignisse, die wie Anekdoten im Film verstreut zu finden sind?

Eine Antwort hierauf können wir vielleicht bei Žižek finden, der in einem Text zu Hitchcocks Film The Birds (US 1963) nach dem Grund gefragt hat, warum die Vögel angreifen.
Könnte das Melodram unsere Vögel sein?

Könnte es sein, dass die Liebesgeschichte den Kern des Films kaschiert, um uns dazu anzuregen, nachzudenken?


Am 08.05.1945 endet der Krieg in Europa. Kaum zehn Jahre später kommt mit zuviel S und noch mehr Kostümen Sissi - Die junge Kaiserin (Ö 1955) in die heimischen Kinos.

Im selben Jahr erscheint das Remake von Die Drei von der Tankstelle (D 1955) mit Heinz Erhardt in einer der Hauptrollen. Kurz darauf setzt die junge Bundesrepublik Deutschland nach mit einer romantisierten Version des Schinderhannes (D 1958).

Die Spanne, in der Filmemacher*innen bemüht waren, den Krieg und den Holocaust zu verarbeiten und die Diskussion darüber lebendig zu halten, war kurz. Zu sehr war die Bevölkerung daran interessiert, das Vergangene hinter sich zu lassen.
Einer dieser Filmemacher war Peter Lorre.

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs konnte er endlich wieder nach Deutschland einreisen, doch im Gegensatz zur schillernden Marlene Dietrich wurde er nicht mit offenen Armen empfangen. Ihm zu Ehren gab es keine Galaempfänge und Lobeshymnen.

Stattdessen realisierte Lorre seine einzige Regiearbeit.
Der Verlorene kam 1951 in die deutschen Kinos und war ein finanzieller Misserfolg.

Da hatte es Fritz Lang besser. Neun Jahre später brachte er erfolgreich seinen dritten Mabuse-Film, Die 1000 Augen des Dr. Mabuse (D 1960) heraus, doch da hatte Lorre Deutschland schon längst endgültig den Rücken gekehrt.

Von den drei in diesem Text behandelten Filmen ist Der Verlorene der ehrlichste.
Nicht nur, weil er auf wahren Ereignissen beruht. In gewisser Weise orientieren sich M - Eine Stadt sucht einen Mörder und Casablanca auch an der tatsächlichen Geschichte, doch sind die Ereignisse dort kodifiziert und müssen erst entschlüsselt werden.

Lorre begegnet in Der Verlorene dem Publikum mit harten Bandagen.

Seine Rolle Dr. Rothe hat während des Krieges schlimme Dinge getan. Menschliches Versagen brachte zwei Frauen den Tod. Sein Gegenpart, der Nationalsozialist Hösch hat auch getötet.
Nun, nach Kriegsende treffen sich beide Figuren wieder. Beide haben überlebt und beide leben unter falschem Namen. Rothe versucht, vor seiner Vergangenheit zu fliehen, teils aus Furcht, teils aus Selbsthass.

Hösch hingegen wird offiziell gesucht und versteckt sich vor der Entnazifizierung, und während Rothe von seinem Gewissen geplagt wird und die Vergangenheit aufarbeiten möchte, geht Hösch den selben Weg in entgegengesetzter Richtung.

Was folgt sind lange Gespräche, in denen Rothe, der dem Alkohol verfallen ist, zwar mit Hösch spricht, aber gleichsam innere Monologe zu halten scheint über das Jetzt und die Vergangenheit. 

Doch Hösch ist anderer Meinung. Schon früh im Film konstatiert der Nationalsozialist folgendes:

“Im Grunde haben Sie natürlich recht. Die Gründe, die hier zwischen uns zur Sprache kommen könnten, sind weder Ihnen noch mir sonderlich angenehm. Warum sie also überhaupt zur Sprache bringen ... Ich möchte Sie nur bitten, ihr Schweigen als eine dauerhafte und zuverlässige Abmachung zu betrachten. Eine dauerhafte und gegenseitige Abmachung.”

Lorre klagt an. Der Mann, der auf der Leinwand Opfer zuvor Opfer einer irrationalen Jagd gewesen war, der die Heimat verlassen und sich als Schwarzmarkthändler verdingen musste und schließlich schuld beladen unter falschen Namen lebt, fordert das Publikum auf, dem Selbstbetrug ein Ende zu setzen und für das, was geschehen ist, gerade zu stehen.

Leugnen ist zwecklos, immerhin hat es das Publikum, haben Wir es alle gesehen.
Wir waren Zeuge, als Schränker den Sprachduktus der Nationalsozialisten übernommen und von Ausrottung und Tilgung gesprochen hat. Wir sind gereist an den Ort, den man nur verlassen kann, wenn man sich entscheidet.

Wir saßen im Plenum, als der Mob die Lynchjustiz vollziehen wollte und als junge Frauen sich einem Mann hingeben mussten, um die Chance auf eine Weiterreise nicht zu verspielen.

Und nun sollte alles ohne Konsequenzen weitergehen.

Lorre fragt, wie die Moral von einer Geschichte aussehen kann, bei der nur vereinzelt die Teilhaber an einer Katastrophe sühnen müssen.

M -Eine Stadt sucht einen Mörder, Casablanc und Der Verlorene.
Eine Trilogie, die keine ist, und in ihrer Gesamtheit dennoch erzählt, was erzählt werden muss.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

 

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