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Joker: Folie À Deux (US 2024)

Der folgende Text geht analytisch auf den Film Joker: Folie À Deux (US 2024) ein und enthält Spoiler. Ich bin überzeugt davon, dass man sich den Film auch nach der Lektüre noch anschauen kann, ohne durch die bekannten Details gelangweilt zu sein, aber ich nehme in diesem Text keine Rücksicht auf jene, die den Film noch nicht gesehen haben.

WORUM GEHT ES?

Um eines vorwegzunehmen, sei festgestellt, dass Joker: Folie À Deux kein “Joker 2” ist. Im Gegensatz zu anderen Filmreihen wird in Joker: Folie À Deux kein neues Abenteuer präsentiert, sondern eine direkte Fortsetzung zum ersten Teil geliefert.
Der neue Film von Regisseur Todd Phillips setzt dort an, wo der andere Film aufhört und erzählt die bestehende Geschichte weiter. Er bezieht sich ausführlich auf den ersten Teil, greift Elemente auf und lässt einzelne Ereignisse in einem neuen Licht erscheinen.
Ganz konkret handelt Joker: Folie À Deux von der Gerichtsverhandlung gegen Arthur Fleck (Joaquin Phoenix). Jener sitzt nach den Ereignissen aus Joker (U 2019) im Arkham Asylum ein und fristet ein erbärmliches Dasein. Körperlich abgemagert wird er von den Wärtern, allen voran Jackie Sullivan (Brendan Gleeson), täglich schikaniert und auch misshandelt. Die Lust auf Witze ist ihm vergangen und abseits weniger Mitinsassen hat Arthur keinerlei Kontakte. Einzig seine Anwältin Maryanne Stewart (Catherine Keener) scheint für ihn dazusein. Sie hält Arthur für schizophren und setzt sich dafür ein, dass seine gespaltene Persönlichkeit anerkannt wird, um so die Möglichkeit zu haben, ihn in eine andere Einrichtung verlegen zu können, in der er eine Therapie erhalten kann.
Eines Tages trifft Arthur auf Harleen “Lee” Quinzel (Lady Gaga), in die er sich verliebt und die ihrerseits auch für ihn Gefühle zu haben scheint.
Doch Harleen manipuliert Arthur und ist mitverantwortlich dafür, dass die finale Katastrophe unausweichlich ist.
Harleens Figur ist eine Femme Fatale, faszinierend und gefährlich zugleich. Sie bildet das Fundament für alles, was während des anstehenden Prozesses geschehen wird. Ihre Äußerungen und auch ihre Geheimnisse beeinflussen Arthur unentwegt.


UNSER BILD VOM JOKER UND DIE ÖFFENTLICHE WAHRNEHMUNG

Wenn wir uns Joker: Folie À Deux anschauen, wird uns ein Musical einerseits und ein Gerichtsdrama andererseits dargeboten und wie immer in Gerichtsverhandlungen gilt es auch hier, die Wahrheit herauszufinden. Doch, worum geht es genau?
Arthur Fleck wird des Mordes in fünf Fällen angeklagt. Fünf Morde, die er im ersten Film begangen hat, in hoher Auflösung, einem Seitenverhältnis von 1,85:1, klanglich untermalt in Dolby Atmos und linear erzählt von Anfang bis Ende.
Da waren zunächst die drei Yuppies, die Arthur in der U-Bahn zusammenschlugen, dann der verhasste Arbeitskollege Randall (Glenn Flesher), der sich aus Eigenschutz gegen Arthur stellte, und schließlich der TV-Moderator Murray Franklin (Robert De Niro), der in seiner Überheblichkeit Arthurs Lebenstraum ruinierte.
Im Film wird Arthur dafür von der Polizei gejagt und von der Menge gefeiert. Anarchie bricht los in den Straßen von Gotham City und überall ziehen die vom System ausgebeuteten Bürger*innen Clownsmasken über. Der gewaltsame Widerstand erhält Legitimation und die Maske wird zum Symbol. Der Clown, der seit 1940 kleinere und größere Verbrechen begeht, der in zahlreichen Adaptionen mal ein psychopathischer Gangster (Batman, Film US 1989), mal ein anarchistischer Schurke mit ausgeklügelten Plänen (The Dark Knight, Film US 2008) und mal ein Massenmörder (The Dark Knight Returns; Comic US 1986) ist, wird zur Leitfigur gegen eine Gesellschaft, in der die Reichen und Mächtigen hofiert und die Armen vergessen werden.
Joker inszeniert eine Entstehungsgeschichte dieser Figur fernab vom Sturz in ein Fass mit Säure (Detective Comics #168, Comic US 1951). Der Film ist geerdet und handelt von einem Menschen mit psychischen Problemen. Er etabliert eine realistische Welt, in der den sozialen Diensten die Gelder gestrichen werden, wodurch eine medikamentöse Behandlung nicht länger aufrechterhalten werden kann. Joker erzählt damit auch von menschlichen Träumen und den Ängsten, die mit Misserfolgen einhergehen, von sozialen Bindungen und von sozialer Verachtung gegenüber den niederen Klassen. Die Menschen im Film feiern den gewalttätigen Ausbruch Arthurs aus dem System.
Doch, die Bürger*innen Gotham Citys sind nicht die einzigen, die der Faszination der Figur erliegen, die sich nach und nach in einen der prägendsten Schurken der Literatur verwandelt.
Auch diesseits der Leinwand erhält Arthurs Handeln Zuspruch.
Der Film spielte weltweit über eine Mrd. US-Dollar ein und wurde durchweg positiv bewertet (imdb: 8,4; Rotten Tomatoes: 89% Popcornmeter; Metacritic: 9,0 User Score; alle Daten abgerufen am 12.10.2024).
Und nun wird mit Joker: Folie À Deux die Geschichte weitererzählt. Noch immer existieren Bewunderung und Verachtung in Gotham City, verkleiden sich Menschen als Clowns und protestieren gegen die Umstände.
Vor den Kinos diesseits der Leinwand ist die Vorfreude auf den Film dafür gespalten. Die Tatsache, dass das Musical-Genre gewählt wurde, schreckt viele ab. Die Form wird über den Inhalt gestellt. Von denjenigen, die eine Sichtung dennoch wagen, verlassen einige vorzeitig den Saal und/oder geben im Anschluss negative Kommentare ab.
Entsprechend negativ fallen auch die Online-Bewertungen aus (imdb: 5,3; Rotten Tomatoes: 32% Popcornmeter; Metacritic: 4,2 User Score; alle Daten abgerufen am 12.10.2024).
Doch warum ist das so?
 

WAS JOKER: FOLIE À DEUX ANDERS MACHT

Wie bereits erwähnt, ist dieser zweite Teil kein zweites Abenteuer, sondern eine direkte Fortsetzung und die findet nun einmal im Gerichtssaal statt. Natürlich hätte man auch einen Ausbruch aus dem Gefängnis inszenieren und den Aufbau eines kriminellen Imperiums dokumentieren können, doch das Gegenteil ist der Fall.
Joker: Folie À Deux bricht mit den Paradigmen, die in Joker aufgestellt wurden, sowohl narrativ als auch formalästhetisch. Ebenso wurde Arthur im Gefängnis gebrochen. Er ist dürr, erzählt keine Witze mehr, ist nicht länger geschminkt. Das System, vor allem vertreten durch die Wärter, hat auf ihn eingeschlagen, sowohl physisch, als auch im übertragenen Sinne.
Harleen, die in den Comics die ausgeflippte Geliebte des Jokers ist, die ihn vergöttert und einfach alles für ihn macht, ist im Film eine hybristophile Person. Sie ist ein Mensch, der sich in einen Verbrecher verliebt. Sie lässt sich selbst in Arkham einweisen und erfindet eine Biografie, um Arthur zu beeindrucken und ihm nahe sein zu können. Doch, wie so oft bei Menschen, die sich auf Verbrecher einlassen, weil sie Verbrecher sind, geht es nicht um die Menschen hinter den Straftaten, sondern um die Figur des Verbrechers an sich. Dementsprechend liebt Harleen nicht Arthur, sondern Joker, und das macht sie auch öffentlich. Immer wieder fordert sich ihn heraus, überredet ihn zum Ausbruchsversuch. Sie schleicht sich in seine Zelle und schminkt ihn, bevor sie mit ihm schläft. Bei einem Besuch im Gefängnis malt sie mit dem Lippenstift ein Lächeln auf die Scheibe zwischen sich und Arthur und jener positioniert sich, damit sich das Lächeln zumindest in der Illusion auf ihn überträgt. Immer muss sie Arthur die Maske des Jokers verpassen.
Sie manipuliert ihn in einer Tour. Doch jener sieht sich der Rolle des Jokers nicht gewachsen.
Im Laufe des Films zweifelt Arthur mehr und mehr an sich und dem Verhältnis der Menge zu ihm. Nicht ihn unterstützen sie lauthals und mit Papptransparenten in den Händen, sondern sein Alter Ego. Den ganzen ersten Film über wollte Arthur nichts anderes sein, als ein akzeptiertes Mitglied der Gesellschaft. Er wollte Teil einer Gemeinschaft sein, die ihm hilft, wenn er Schwierigkeiten hat. Als diese Hilfe ausblieb, tickte er aus. Er verließ den Boden der Rechtschaffenheit und definierte eigene Regeln. Wer ihm nicht helfen wollte, wer ihm Gewalt antun wollte, dem sollte selbst Gewalt widerfahren. Dafür entwickelte er den Joker, dafür stand und steht der Joker.
Nun hat ihn die Gesellschaft gefangen und stellt ihn vor Gericht. Mit der Todesstrafe als Forderung möchte die Staatsanwaltschaft ein Exempel statuieren. Weiterhin ist an Hilfe nicht zu denken. Die Überlegungen der Verteidigung, Arthur sei schizophren, werden von Dent kategorisch und sehr laienhaft abgelehnt.
Während der ganzen Zeit fühlt sich Arthur stark. Jetzt, da er Harleen an seiner Seite hat, ist er nicht länger allein, wie er sagt. Doch weder ihr noch der Menge vor dem Gerichtsgebäude liegt etwas an Arthur, dem Menschen. Sie wollen nicht ihm helfen, nicht ihn frei sehen. Genauso wie das Publikum diesseits der Leinwand, interessieren sie sich allein für die Figur des Jokers, dem großen Symbol des gewaltsamen Widerstands.
Erinnern wir uns kurz an das Ende des ersten Films, als die Straßenkämpfe losbrechen und zahlreiche maskierte Menschen auf Fensterscheiben und Polizeikräfte einschlagen. Da gibt es diesen einen Moment, als die Familie Wayne in eine Nebenstraße geht und dort von einem maskierten Mann niedergeschossen wird.
Die Ur-Katastrophe im Batman-Universum wird hier beschworen, vergleichbar mit den Ereignissen aus Tim Burton Film von 1989. Die Existenz des dunklen Ritters wird untrennbar verknüpft mit Flecks Joker, erhält dadurch seine ultimative Legitimation und wird vom Publikum gefeiert.
Wieder zurück im zweiten Film ist Arthurs anfängliche Euphorie verflogen und kehrt die Menschlichkeit in ihn zurück. Arthur arbeitet hart daran, den Joker in ihm zu unterdrücken, um Chance zu haben, doch noch ein Mitglied der Gesellschaft zu sein, dem geholfen wird.
Doch die Steine, die ihm in den Weg gelegt werden, sind groß.
Da gibt es diese eine Situation, in der ein Wärter von Arthur wünscht, er würde sein Buch signieren, in dem Glauben, es würde sehr viel wert sein, wenn Arthur erst einmal hingerichtet worden sei.
Die Frage nach Gut und Böse wird in dieser kurzen Sequenz eindringlich diskutiert.
Gehört Arthur für seine Vergehen hingerichtet? Diejenigen, die sich für eine Todesstrafe aussprechen, mögen dies bejaen, doch sind Menschen, die auf perfide Art Geld mit dem Tod anderer Menschen machen, automatisch gut?
Für Arthur gleicht jeder Tag und jede Begegnung einem Spießrutenlauf und es ist somit nur eine Frage der Zeit, bis der Joker einmal mehr aus ihm herausbricht und die Kontrolle übernimmt.

IST ES RICHTIG, VON JOKER FASZINIERT ZU SEIN
?
In der Szene, in der auch Gary Puddles (Leigh Gill) seine Aussage tätigt, ist es soweit.
Arthur hat seine Anwältin gefeuert und übernimmt als Joker die eigene Verteidigung.
Geschminkt und im gleichen roten Anzug, den er schon im ersten Film getragen hat, sitzt er im Gerichtssaal und verkehrt alles zu der Farce, die sie in Wirklichkeit ist.
Joker imitiert das eloquente Gehabe eines Juristen, stellt Puddles unwichtige und alberne Fragen und überhöht seine gesamte Erscheinung sogar mit einer Imitation von De Niro.
Als dann aber Puddles offenbart, seit jenem Tag, als Arthur den ehemaligen Kollegen Randall erstach, in ständiger Angst zu leben, ändert sich von jetzt auf gleich alles an Arthur. Der Joker verschwindet von jetzt auf gleich und Arthur beteuert, Puddles zu mögen und ihm nie wehtun zu wollen.
(An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass Phoenix hier eine grandiose Schauspielleistung ablegt.)
Doch für Puddles bedeutet das nichts, denn die Beteuerung kann sich ja schnell in Luft auflösen, wenn die Situation ein klein wenig variiert.
Joker: Folie À Deux konstatiert hier ganz klar, dass Joker kein Symbol des Widerstands und der Gerechtigkeit darstellt, sondern eine Gefahr bedeutet, die vor allem die Unschuldigen verfolgt und mit der gerade diese Unschuldigen rechnen müssen. Arthur erkennt dies und erkennt auch, dass Joker nicht echt ist, dass Joker keinen Heilsbringer darstellt, durch den es möglich ist, das System zu Fall zu bringen und die Bösen zu bestrafen. Gewalt ist nicht kanalisierbar. Wird sie eingesetzt, trifft es immer auch Unschuldige, was nicht zuletzt in der finalen Explosion mehr als deutlich zum Vorschein tritt.
Nach dem Gespräch mit Puddles richtet sich Arthur an den gesamten Gerichtssaal und verkündet, nicht Joker zu sein.
Umgehend verlässt Harleen hierauf die Szenerie. Ihre Illusion ist gebrochen und auch das Publikum, diesseits der Leinwand, muss sich mit der neuen Gegebenheit arrangieren.
Die Person, die wir hier sehen, die von Joaquin Phoenix verkörpert wird, ist nicht Joker. Sie ist eine Idee, die wie im Wahnsinn um sich greift und dort festsetzt, wo sie auf Faszination für sich selbst trifft.
Und ebenso wenig, wie Joker: Folie À Deux ein actiongeladenes Comic-Abenteuer darstellt, so wenig ist es ein reines Gerichtsdrama. Es ist eine psychoanalytische Studie, die die Welt im Film und vor der Leinwand auf den Kopf stellt, die Elemente des Musicals verwendet und damit fortwährend die Immersion des filmischen Erlebens zerstört. Oft erleben wir Musiknummern im Film in Traumsequenzen. Das macht es einfach, sie zu implementieren, ohne sie erklären zu müssen, und auch in Joker: Folie À Deux gibt es Lieder, die nur in der Vorstellung gesungen werden, diese inneren Monologe, in denen die Figuren ihr Seelenleben ergründen. Doch es gibt auch offen gesungene Songs, die real stattfinden und im Film reale Konsequenzen haben.
Phillips zerstört den Comicfilm für seinen zweiten “Joker”, um die Illusion zu zerstören, die mit der blinden Faszination für den Clown einhergeht, und er nutzt die Figur der Harleen, um eine diegetische Entsprechung für das Publikum zu haben. Wir, das Publikum, diesseits der Leinwand, und Harleen stehen auf der gleichen Stufe. Beide verlangen wir nach dem Joker und bekommen ihn nicht, nicht im Traum und nicht in der Realität.
Und es ist der Regisseur selbst, der durch Arthur Harleen/uns dennoch die Chance gibt, weiterzumachen. In der letzten gemeinsamen Szene treffen Arthur und Harleen aufeinander und Arthur fleht sie an, mit ihm abzuhauen, doch anstelle sich ihm zu öffnen und romantisiert in den Sonnenuntergang zu fliehen, singt sie nur vor sich hin.
Arthur beschwört sie daraufhin, mit dem Singen aufzuhören und mit ihm zu sprechen, doch Harleen hört nicht auf ihn. Sie trauert stattdessen dem Joker hinterher.
Der Frage, die der Regisseur hier also stellt, ist jene, wie wir zur Figur stehen. Können wir uns von Joker distanzieren und sein Verhalten und unsere Faszination dafür reflektieren? Wenn ja, können wir durchaus weitere Abenteuer genießen und uns der damit einhergehenden Katharsis hingeben. Wenn nicht, bleiben wir mit einem kümmerlichen Arthur zurück, einem Nichts, das uns enttäuscht und dem wir nicht helfen können oder wollen.


DIE NÄCHSTE STUFE IN DER EVOLUTION DES WAHNSINNS
Für jene, die die Distanz nicht herstellen können, hält Phillips noch das ultimative Ende für seine Reihe und die nächste Stufe des Wahnsinns parat.
Dann nämlich, als der Mitinsasse (Connor Storrie), der in einem Witz die Figur des Psychopathen erwähnt und dann selbst die Rolle übernimmt, Arthur ersticht.
Während jener sterbend auf dem Boden liegt und die Kamera immer näher an ihn heranfährt, hält sich der Psychopath unscharf im Hintergrund auf, lacht und schneidet sich dann mit der Mordwaffe selbst die Wangen auf.
Fritz Lang verhandelt in seiner “Mabuse”-Filmreihe die Verbrechen des genialen Schurken Dr. Mabuse. In Das Testament des Dr. Mabuse (D 1933) stirbt der Kriminelle und lässt das titelgebende Schriftstück zurück. In der Folge werden in der Stadt Verbrechen begangen, die an die Taten Mabuses erinnern, und es beginnt eine Suche nach dem Nachahmer. Lang drehte diesen Film als Allegorie auf den Wahnsinn des Nationalsozialismus. Was er aber ganz offensichtlich auch beschreibt, ist, dass der Wahnsinn einer Person als Idee und in weiterer Folge Ideologie auf andere Personen überspringen kann. Der Wahnsinn kann sich entwickeln und genau das passiert mit der Idee des Joker am Ende des Films. Die Faszination für die Figur gipfelt in der Ermorderung Arthurs und lebt in dem Psychopathen, in den Menschen auf der Straße und auch in Harleen, weiter. Und während Harleen noch an die Maske gebunden war, sie also Arthur schminken musste, um auch in sexueller Hinsicht eins zu werden mit der Idee, geht der Psychopath hier einen Schritt weiter. Er führt das Messer in seinen Körper ein, eine brutale und gleichzeitig intime Handlung, und wird eins mit der Maske, die als Narbengewebe Teil seines Gesichts bleiben wird.

Fazit: Todd Phillips erhält zu Unrecht so viel Gegenwind. Das filmische Universum, welches er mit seinen beiden Filmen erschaffen hat, ist die mit Abstand erwachsenste Herangehensweise an den Stoff, der seit 85 Jahren für Freude, Ekel und enorm viel Stellvertretermomente und Katharsis sorgt. Er setzt das Chaos eines Joker an den Beginn von allem. Er legt den Grundstein für Batman, er kreiert die Legende von Joker, er zeigt, wie diese Legende andere Bösewichte erschaffen kann und er stellt die alles entscheidende Frage direkt an das Publikum: Was seid Ihr bereit zu ertragen und wer muss dafür geopfert werden?

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