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Tatsächlich.... Liebe (GB 2003) - Ein Lieblingsfilm ehrlich geschaut.

Vor einundzwanzig Jahren kam ein Film in die Kinos, der sehr liebevoll inszeniert wurde und von zahlreichen schrulligen Figuren erzählt. Er avancierte schon nach kurzer Zeit zum modernen Klassiker, hat Nachahmer motiviert und ist bei vielen Menschen fester Bestandteil des alljährlichen Adventprogramms.
Der starbesetzte Episodenfilm Tatsächlich… Liebe stammt vom Drehbuchautor Richard Curtis, der auch schon die Drehbücher zu Vier Hochzeiten und ein Todesfall (1994), ” (1999) und zwei Bridget Jones-Filmen (2001, 2004) verfasste und nun das erste Mal auch Regie führte.

Der Film erzählt in einzelnen, teilweise lose miteinander verbundenen Episoden Kurzgeschichten rund um das Thema Liebe und beleuchtet dabei sowohl die schönen Seiten des Frisch-Verliebt-Seins, als auch die Prüfungen nach vielen Jahren der Beziehung.
Selbstverständlich ist auch Hugh Grant mit von der Partie, denn es scheint so zu sein, dass, während Scorsese wahlweise mit DeNiro oder DiCaprio dreht, und Tarantino scheinbar nur unter Protest ohne Samuel L. Jackson hinter die Kamera tritt, Curtis nicht ohne den charmanten Vorzeige-Engländer auskommt.
Was auch immer die Gründe dafür sind, den Film zu schauen, sie haben offenbar Relevanz, denn Tatsächlich… Liebe ist einer der Filme, auf den sich alle einigen können, vorausgesetzt, dass Weihnachten oder Romantik denkbare Themen sind und dass das persönliche Filmuniversum nicht bei Predator anfängt und bei The Terminator wieder endet.

Dabei ist Tatsächlich… Liebe alles andere als perfekt.
Aufgeladen sowohl mit tiefgründigen Konflikten als auch seichten Emotionen, schafft es der Film in nahezu jedem Moment, dem Publikum ein Lachen oder eine Träne zu entlocken. Man geht auf in den Erzählungen, kann mit den Figuren mitfühlen oder sich in märchenhafte Situationen hineinimaginieren.
Und so schafft es der Film, von dem abzulenken, was er vermissen lässt.

Streng heteronormativ

2003 liegt, wie eingangs erwähnt, bereits einundzwanzig Jahre zurück und auch wenn dieser Tage ein Kulturkampf rund um eine sexuelle Revolution geführt wird, so ist es nicht so, dass Homosexualität Anfang der 2000er in der westlichen Welt unbekannt, verpönt oder gar verboten war.
Dennoch geht es in Tatsächlich… Liebe streng heterosexuell und vor allem heteronormativ zu. Insgesamt werden neun Episoden erzählt und keine davon inkludiert queere Charaktere.
Dabei wäre es denkbar einfach gewesen, einer Episode einen queeren Anstrich zu verpassen.

Am ehesten eignet sich hierfür die Handlung rund um die Figuren Peter (Chiwetel Ejiofor), Mark (Andrew Lincoln) und Juliet (Keira Knightley). Mark ist hoffnungslos in Juliet, die Ehefrau seines besten Freundes Peter, verliebt. Nun hinzugehen und anstelle der Frau den Mann zum Angebeteten zu erklären, hätte nicht mehr gekostet als eine Entscheidung, einen anderen Fokus im Archivmaterial (Videoaufnahmen) und schließlich einem Peter, der statt seiner Frau die Tür öffnet.
Tatsächlich… Liebe verzichtet nicht nur auf diese Möglichkeit, sondern distanziert sich sogar davon.
In der Szene auf der Hochzeitsfeier, in der Mark einsam auf einem Stuhl sitzt, kommt Sarah (Laura Linney) zu ihm und fragt, wie lange Mark schon in Peter verliebt wäre, was von Mark entschieden verneint wird.
Es ist nicht so, dass die Heteronormativität aus dem Film ein schlechteres Produkt macht, und dieser Text soll auch kein mahnender Zeigefinger sein, der fordert, alle Filme sollten auf Gedeih und Verderb über-inklusiv wie eine Netflix-Produktion sein, aber für einen Film, der mit einem Monolog über die Kraft und die Magie der Liebe beginnt, ist die absolute Reduktion auf Mann-Frau-Paarungen irgendwie unangemessen.

Dies wird umso deutlicher, wenn man sich die Themen der einzelnen Episoden vergegenwärtigt.
Dann nämlich fällt auf, dass es zwei Narrative gibt, die sich nur in den Details voneinander unterscheiden.
Jamie (Colin Firth) und Sam (Thomas Sangster) durchleben das gleiche Abenteuer.
Anfangs geschehen Unglücke, welche beide Figuren verkraften müssen. Dann lernen beide Figuren ein Mädchen kennen (bzw. sie erzählen davon) und erarbeiten sich eine neue Fähigkeit, um das Mädchen zu beeindrucken. Schließlich stellen sie diese Fähigkeit unter Beweis und gelangen so an ihr jeweiliges Ziel.
Beide Episoden sind herzerwärmend, werden sehr liebevoll erzählt und sind halt auch nahezu gleich.

Fette Frauen?

Die Geschichte um John (Martin Freeman) und Judy (Joanna Page), den beiden Licht-Doubles, besticht zwar humorvoll durch die Anrüchigkeit des Arbeitsplatzes, hat aber darüber hinaus wenig Substanz. Die Episode erzählt das konfliktfreie Kennenlernen und das Verlieben zweier Menschen.
Gleiches gilt für David (Hugh Grant) und Natalie (Martine McCutcheon). Er ist Premierminister, sie die Angestellte, die die Kekse bringt. Über den ganzen Film hinweg wird erwähnt, wie es um Natalies BMI bestellt ist und wie ausladend ihre Oberschenkel wären.
Natürlich kommuniziert der Film, dass Natalies Körper in keiner Weise anstößig ist. David verliebt sich zurecht, weil sie ein bezauberndes Wesen hat, und das negative Gerede nur von Menschen stammen kann, die in der Welt der Fashion Weeks zuhause sind.
Natalie ist weit davon entfernt, zu den Durselys aus Harry Potter in Konkurrenz zu treten, und dass das Gerede Unfug ist, zeigt auch der Film, als der US-Präsident (Billy Bob Thornton) Natalie schon bei der ersten Begegnung kurzerhand zum Sexobjekt erklärt.
Aus der Körperlichkeit der Figur wird ein Konflikt kreiert, der nicht nur gegenstandslos ist, sondern den selbst der Film nicht ernst nimmt.

Sowohl in der Erzählung um John und Judy als auch in der Episode um David und Natalie ist wenig Tiefe zu entdecken, abgesehen davon, dass beide Narrative den Fokus hartnäckig auf die Körperlichkeit legen, nur um am Ende zu sagen, wie unwichtig diese sei.
Wie erfrischend anders kommt da die nächste Paarung daher. Colin (Kris Marshall), der vermeintlich verkannte Sexgott, sieht keinen anderen Ausweg als die Reise in die USA, begleitet von einem Rucksack, der bis oben hin gefüllt ist mit Kondomen.
In einer traumhaft kuriosen Überhöhung der Male Gaze, also jener Konzentration auf vorrangig männliche Bedürfnisse, erlebt der junge Mann sein Märchen, und während er die Liebe in der Lust sucht, erkennt der alternde Rockstar Billy Mack (Bill Nighy), dass die Liebe gerade dort nicht zu finden ist.

Der Mann als Objekt der eigenen Begierde

Speaking of Sexobjekte und Male Gaze.
Tatsächlich… Liebe ist ein durch und durch männlicher Film. Er nimmt eine männliche Sicht ein und fokussiert sich zumeist auf männliche Figuren.
Frauen stehen diesen Männern gegenüber und oft einen Schritt zurück. Als Jamie in Frankreich am Teich sitzt und der Wind das Manuskript auf dem Wasser verteilt, eilt Aurelia (Lúcia Moniz) herbei und springt sogleich in den Teich. Zuvor zieht sie sich aber bis auf die Unterwäsche aus, was von der Kamera in Nahaufnahmen festgehalten wird.
Zwar ist sie die Heldin dieser Szene und Jamie eher ein Trottel, aber sie ist vor allem eines, nämlich halbnackt.
Mia (Heike Makatsch) ist keine femme fatale, viellmehr eine wolllüstige Verführerin, die sich breitbeinig in die Beziehung von Harry (Alan Rickman) und Karen (Emma Thompson) einmischt, und ja, es müssen natürlich Licht-Doubles beim Ponofilm sein, sonst gäbe es ja keinen Grund, Judys Brüste prominent in die Kamera zu halten.
Natalie sieht sich gezwungen, zu kündigen, nachdem sie sexuell bedrängt wurde, und Juliet gibt Mark einen Kuss, nachdem dieser ihr seine Liebe gestanden hat. Ist es ein Weihnachtsgeschenk? Ist es die Botschaft, in einem anderen Leben die Aussicht auf eine Beziehung zu haben?

Curtis erzählt all die Geschichten aus einer männlichen Sicht und es drängt sich die Idee auf, er könnte keine guten Frauenrollen schreiben. Tatsächlich aber kann in jeder Episode erkannt werden, dass hier der Markt ein System vorsieht, welches bestehende Rollen bestärken möchte.
Und so sind es nicht nur die Frauen, die ständig mit einem Objekt sexueller Begierde verknüpft werden. Es sind vor allem die Frauen, die stets die Rollen und Handlungen übernehmen und übernehmen müssen, die das gesellschaftliche System am Laufen halten.
Sei es durch eine Kündigung, das Annehmen eines Telefonanrufs oder das Auflegen der guten Miene zum bösen Spiel, wenn Kinder zugegen sind, die für all das nichts können.
Müssen es wirklich Licht-Doubles bei einer Porno-Produktion sein?
Wenn ein männlicher Markt den Film sehen und mögen soll, wahrscheinlich ja, und wenn der Film auch (oder erst recht) an Weihnachten erfolgreich sein soll, müssen es nun einmal die Episoden sein, auf die sich alle irgendwie einigen können.

Come on and let it snow...

In Großbritannien ist der jährliche Weihnachtshit, also jener Song, der in der Weihnachtswoche auf Platz 1 der Charts ist, immer ein Spektakel.
Sowohl für die Künstler*innen als auch das Produktionsteams verspricht dies enorme Einnahmen.
Oft geht der Erfolg an den*die Sieger*in einer Casting-Show, doch in Tatsächlich… Liebe biedert sich Mack dem Markt an, um am Ende nicht zuletzt die damals erfolgreiche und im Film vorkommende Boyband Blu auszustechen.
Es ist Curtis’ feiner Kommentar auf die Kommerzialisierung von Weihnachten, der 2009 eine reale Entsprechung bekommen sollte, als Killing in the name of von Rage against the Machine durch einen Aufruf der Band die Spitze der Charts stürmt.

Natürlich darf auch ein Weihnachtsengel nicht fehlen und so ist Tatsächlich… Liebe nicht nur ein intelligenter und einfühlsamer Ensemble-Film, der mit einem eingängigen Soundtrack diverse Motive abklappert, die auch nur entfernt mit Weihnachten zu tun haben, und in jeder Minuten wahlweise Gelächter oder Tränen hervorruft.
Tatsächlich… ist er ein wahrer Klassiker und zurecht in der Liste der Filme, die an Weihnachten einfach zum Pflichtprogramm gehören. Aber er hat auch Ecken und Kanten und die Frage ist, ob diese Kanten alle sein müssen.



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