Wer sich
von Overboard - Ein Goldfisch fällt ins Wasser eine Komödie erwartet, die die Filmlandschaft verändern oder
gar erneuern kann, wird enttäuscht. Nicht nur für 2021 stellt dieser Film ein
Arrangement der narrativer Durchschnittlichkeit dar, auch 1987, das Jahr, in
dem der Film erschien, sollte es nur wenige Menschen im Publikum gegeben haben,
die etwaige Wendungen nicht vorhersehen konnten.
Dennoch handelt es sich bei Overboard um eine unbedingte Sehempfehlung, die
vor allem in der Performance von Goldie Hawn zu finden ist und in der
Figurenkonstellation um Goldie Hawn, Kurt Russell und die Kinder.
Overboard
erzählt von der jähzornigen Millionärin Joanna (Goldie Hawn), die den alleinerziehenden
Vater und Schreiner Dean (Kurt Russell) beauftragt, einen Schuhschrank zu
bauen.
Durch einen Unfall verliert Joanna ihr Gedächtnis. Dean erfährt davon und nutzt
ihre Amnesie, um sich für ihr respektloses Verhalten, welches in der Weigerung,
Dean für dessen geleistete Arbeit zu bezahlen, gipfelte, zu rächen. Soweit die
Prämisse.
In der sich
nun entfaltenden Handlungen stoßen drei Fronten aufeinander.
Zum einen ist da Joanna, von Dean Annie genannt, die nicht mehr an der Spitze
der kapitalistischen Nahrungskette steht und sich stattdessen auf deren Boden
wiederfindet, wo sie versuchen muss, zu überleben.
Daneben konfrontiert Dean Annie mit einer stereotypen patriarchalen Hierarchie,
durch die Annie neben der Armut noch mit dem Manko der klassischen Frauenrolle
belegt wird.
Die dritte Fraktion übernehmen Deans vier Söhne, die unbelehrbar scheinen und
Annie mit ihrer Wildheit überrennen.
Durch sie steht Annie einer Form von Anarchie gegenüber, in der es keine Hierarchien und dementsprechend keinen Respekt vor Autoritäten gibt.
Jede dieser
Kräfte ist bemüht, sich gegen die anderen zu behaupten, wobei Dean und die
Söhne Annie als gemeinsamen „Feind“ haben.
In ihrem Bestreben, das Beste aus der Situation zu machen, stellt sich Annie
als starke Persönlichkeit heraus, die nicht nur auf die Angriffe von Dean und
den Söhnen reagieren, sondern auch auf jene Einfluss ausüben kann.
Am Deutlichsten wird dies in der Szene, in der Annie von der Lehrerin Mrs.
Burbridge in die Schule zitiert wird, um sich für das Verhalten der Söhne zu
rechtfertigen. Mrs Burbridge, hat keine positive Meinung von den Kindern und
unternimmt nichts, um empathisch auf sie Einfluss zu nehmen oder zumindest ihre
Leistungen zu verbessern. Als Lehrerin stellt Mrs. Burbridge eigentlich eine
Respektsperson innerhalb einer Hierachie dar, die aber von den vier
anarchischen Kindern nicht als solche angesehen wird.
Da die Lehrerin jedoch nicht versucht, sich Respekt zu verschaffen und
stattdessen nur beleidigend und sanktionierend gegen die Kinder vorgeht, verkörpert
sie ihrerseits auch nur eine Form von Anarchie.
Annie hingegen betritt den Raum und stellt unmittelbar Ordnung her, als die
Lehrerin versucht, ihr Verhalten den Kindern gegenüber auf die vermeintliche
Mutter auszuweiten.
Durch die Ordnung etabliert Annie gleichsam Hierarchie und eliminiert die
Anarchie.
Sie setzt sich für die Kinder ein, die durch Beobachtung lernen und gleichsam
Respekt für Annie entwickeln, wodurch auch ihre eigene Anarchie gebrochen wird.
In der Folge verbessern sich ihre schulischen Leistungen, was wiederum einen
Wandel in Dean und dessen Repräsentation der patriarchalen Struktur hervorruft.
Overboard
nimmt sich selber nicht zu ernst und ist in vielerlei Hinsicht erfrischend.
Es sind somit auch die Kleinigkeiten, die den Film zu etwas Besonderem machen,
seien die kurzweiligen Dialoge oder die Figur des Butlers Andrew, der
seinerseits als Profiteur des Systems Kritik am Kapitalismus übt.
Auch die Auswahl der Kostüme unterstützt die Erzählung.
Anfangs trägt Joanna einen edlen Badeanzug, der über Schulterapplikation
verfügt, die an Gardeuniformen hochrangiger Armeeoffiziere erinnern, dann ein
Krankenhaushemd, eine Uniform der örtlichen Müllabfuhr, welche notdürftig mit
einer Kordel tailliert gebunden wird, und schließlich lumpenhafte Kleider, die
nicht ansatzweise ihrer Größe und Figur entsprechen und verdeutlichen, wie
heruntergekommen sie nun ist. Sämtliche Kleidungsstücke wirken Karikaturen
schlechter Kostüme und erst, als sie sich als Annie in Jeans, Baumwolle und
Flanell kleidet, schwindet das Artifizielle aus ihrer Erscheinung und wird
ersetzt durch Authentizität.
Overboard ist eine Feel-Good-Komödie, die auch bei mehrfachem Schauen immer noch Vergnügen bereiten kann.
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