Endlich ein Superheldenfilm, der sich Zeit nimmt.
Vier Stunden und zwei Minuten, um genau zu sein, aber das geht in Ordnung.
Endlich ein Superheldenfilm, der Ereignisse auserzählt und nicht gleich zum
nächsten Plotpunkt wechselt, wenn der Höhepunkt der Action erreicht ist.
Endlich ein Superheldenfilm, der allen Charakteren eine vernünftige Screentime
gibt, abseits der üblichen Kämpfe.
Endlich ein Superheldenfilm, bei dem die Kämpfe als solche nachvollziehbar
sind. Kein Schnittgewitter, bei dem wir außer bunten Farben nichts erkennen
können.
Zack Snyders Version derJustice League begreift die Tragweite eines Kampfes
um den Planeten Erde und hetzt nicht einfach durch das Prozedere einer
Teamfindung, um möglichst bald CGI-Action auf die Leinwand bringen zu können.
Leider setzt er bei den Kämpfen zu sehr auf digitale Effekte, aber dazu komme
ich später.
Snyder inszeniert die Liga als heterogene Gruppe, in der jede Figur ihre
Eigenheiten und Ziele hat.
Genauso divers wie die Beweggründe, der Liga beizutreten oder sich ihr zu
verchließen, sind auch die Ursprünge der Figuren.
Halbgötter wie Wonder Woman und Aquaman treffen auf einen jugendlichen The
Flash mit Fanboy-Attitüden und auf einen Cyborg, der seinen Platz in der Welt
erst noch finden muss. Über allem schwebt ein alternder Batman, der die
Strippen zieht. Batman, die Ikone, die allerdings, und Snyder zeigt dies ganz deutlich,
keine Superkräfte hat (What’s your superpowers again? – I’m rich.)
Batman ist
dementsprechend immer etwas behäbig und immer auch etwas langsamer als die
anderen.
Superman ist tot. Er stirbt im Vorgängerfilm und es braucht mehr als
zweieinhalb Stunden, um ihn wiederzubeleben. Das ist eine Ansage, aber die
Vorgehensweise ist verständlich, schließlich ist, wie sich zeigen wird,
Superman für einen frühen Einsatz im Film zu mächtig.
Der Film
verweist auch darauf, wenn gesagt wird, dass die Mutterboxen nicht aktiv
wurden, als Superman noch lebte. Superman kann nur als ultima ratio zum Einsatz
kommen.
Doch, so mächtig Superman auch ist, so ist er dennoch nicht unfehlbar.
Als er wiederbelebt wird, erkennt er niemanden und steht der Liga feindselig
gegenüber. Das erste, was der Weltenretter nach seiner Wiederauferstehung dem
Planeten bringt, ist Zerstörung. Erst der Anblick Lois Lanes bringt die
Wendung.
Genau wie im Falle von Batman entmystifiziert Snyder hier den großen
Superhelden.
Der Snyder-Cut der Justice League ist in sechs Abschnitte unterteilt, was einen guten Schachzug darstellt. Der Film, der wahrlich lang ist, kann so pausiert und wie eine Miniserie konsumiert werden. Auch unterstützt die Unterteilung die ruhige Erzählweise und bremst die innere Erwartungshaltung des Publikums, nach der es alsbald einen Kampf geben müsste.
Das Gute ist, dass es diese Kämpfe dennoch gibt.
Allein das Ergreifen der ersten Mutterbox durch Steppenwolf am Beginn des Films dauert sehr lange. Immer wieder versuchen die Amazonen, die Box zu greifen, zu verstecken, mit ihr zu fliehen.
Das eingangs erwähnte Sich-Zeit-Nehmen findet hier bereits Erfüllung.
Die
Einteilung gibt Snyder auch die Möglichkeit der Exposition für jede Figur, ohne
dass eigene Origin-Filme notwendig sind.
Dadurch wird der Film auch für jene Zuschauer*innen konsumierbar, die sich mit
dem DCEU bislang noch nicht auseinandergesetzt hatten.
So schön
und erfrischend ernst der Film auch ist, so gibt es doch ein paar Punkte, die
mir so gar nicht gefallen mögen und die, wie ich glaube, dem Film über die
Jahre schaden werden.
Oben bereits angesprochen, setzt der Film in den Kämpfen verstärkt auf computergestützte
Animationstechnik. Dabei werden nicht nur die außerirdischen Kreaturen
animiert, sondern auch zahlreiche irdische Figuren. Beinahe die gesamte
Amazonenarmee inklusive der Pferde ist an irgendeiner Stelle am PC entstanden.
Sprechrollen wie Aquaman und Superman sind ebenso digitaler Teil der Inszenierung.
Dabei sind
die Unterschiede zwischen realer Figur und Animation jedoch stark erkennbar,
was den Kampfsequenzen etwas Unschönes verleiht.
Der Robotik-Spezialist Masahiro Mori schreibt in seinem Essay „The uncanny
valley“ von der sogenannten Uncanniness. Er bezieht diese unter anderem auf
Prothesen und ihr Verhältnis von visueller und funktioneller
Künstlichkeit/Natürlichkeit.
Dabei gibt
es Momente, in denen die Prothesen zwar natürlich aussehen, aber auf Grund
ihrer Funktionalität noch in einer Künstlichkeit gefangen sind. Dies fällt
Betrachter*innen auf und führt zu einem Gefühl des Unwohlseins. Anders verhält
es sich mit natürlicher Funktionalität, aber künstlichem Aussehen. Hierbei ist
Betrachter*innen eine Abstraktion möglich und damit eine beruhigende Trennung
beider Faktoren.
Auf den Film bezogen bedeutet dies, dass wir Steppenwolf und die Alien-Armee
problemlos genießen können, da sie künstlich aussehen, aber realistische
Bewegungen ausführen, Superman und die Amazonenarmee hingegen nicht, da wir
hier reale, menschliche Vorbilder haben, die in der Animation nicht vollkommen
reproduziert werden können. Zudem sind die Bewegungen ein wenig zu
algorithmisch.
Darunter leidet in kurzen Momenten die Bildästhetik und, da es solche Momente
immer wieder im Film gibt, reihen sich die negativen Sinneseindrücke nach und
nach aneinander.
Vielleicht hätte Snyder sich gut daran getan, hier und da auf practical effects
zu setzen, ganz so, wie es einer der ausführenden Produzenten Christopher Nolan
in seinen eigenen Filmen immer macht.
Eine weitere Sache, die ebenso mit Bildmanipulation zusammenhängt, ist der
Einsatz von Slow Motion.
In Anbetracht der Tatsache, dass wir mit The Flash eine Figur haben, bei der ohnehin Geschwindigkeit, Zeit und entsprechende Visualisierungen eine wesentliche Rolle spielen, kurz gesagt, es einen enormen Einsatz von Slow Motion gibt, der es uns ermöglicht, die Bewegungen von The Flash nachzuvollziehen, gehört der Einsatz weiterer Verlangsamungen des Bildes reduziert.
Nicht jeder
Auftritt einer Sprechrolle muss mittels Slow Motion zelebriert werden.
Wenn Steppenwolf zum xten Mal erscheint, reicht es, wenn er einfach ins Bild
kommt. Wir werden ihn auch weiterhin als Bedrohung erkennen.
Wenn Wonder Woman irgendwelche Stunts vollführt, müssen diese ebenfalls nicht
immer in Slow Motion präsentiert werden. Es mag sein, dass man den Körper von
Gal Gadot so besser zur Geltung bringt und der Amazonenschrei, der
wiederkehrend als musikalische Untermalung solcher Aktionen Verwendung findet,
mag so auch besser wirken, aber es beraubt der ganzen Szene die Dynamik.
Dabei hat
Snyder gezeigt, dass es auch anders funktionieren kann.
In der Szene, in der Wonder Woman die Menschen in der Bank rettet, demonstriert
Snyder durch Bildüberlagerung und unscharfe Bewegungen die hohe
Geschwindigkeit, mit der die Superheldin die Kugeln abfängt. Leider verzichtet
der Regisseur im weiteren Verlauf des Films zunehmend auf diese Techniken.
Ein letzter Punkt, der mir nicht gefallen hat, betrifft das große Finale, in
dem die Liga verliert und es dann The Flash ist, der auf Überlichtgeschwindigkeit
beschleunigt, um so die Zeit zurückzudrehen.
Zugegeben, die Visualisierung des Prozesses, durch die wir die Ereignisse
rückläufig betrachten, ist sehr ansprechend, aber die Aktion als solche, im
Sinne eines Narrativs, wirkt billig.
Hat Snyder den Einsatz Supermans intelligenter Weise hinausgezögert, um ein
triviales Overpowerment zu vermeiden, greift er hier auf Zeitreise zurück.
Es mag eine persönliche Aversion zu sein, aber ich kann Zeitreisen als
Lösungsstrategien nicht leiden.
Das erinnert mich stets an Computerspiele. Bevor die Mission brenzlig wird,
wird noch schnell gespeichert. Verliert man, wird so lange der alte Spielstand
geladen, bis die Mission siegreich beendet werden kann.
Im 1978er Superman mag dies eine gute Idee gewesen sein, weil es etwas
Besonderes und Neues war, aber heutzutage ist es nicht länger neu.
Da sehe ich lieber ausweglose Situationen und ein Versagen der Held*innen oder ein Sieg in letzter Sekunde mit äußerster Kraftanstrengung und einem Quäntchen Glück.
Alles in allem hat mir der Snyder Cut allerdings sehr gut gefallen und ich würde mich freuen, wenn sich weitere DCEU-Filme Justice League zum Vorbild nähmen, statt stupide einem Erfolg des MCUs hinterherzurennen.
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