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Zack Snyder's Justice League (US 2021)

Endlich ein Superheldenfilm, der sich Zeit nimmt.

Vier Stunden und zwei Minuten, um genau zu sein, aber das geht in Ordnung.
Endlich ein Superheldenfilm, der Ereignisse auserzählt und nicht gleich zum nächsten Plotpunkt wechselt, wenn der Höhepunkt der Action erreicht ist.
Endlich ein Superheldenfilm, der allen Charakteren eine vernünftige Screentime gibt, abseits der üblichen Kämpfe.
Endlich ein Superheldenfilm, bei dem die Kämpfe als solche nachvollziehbar sind. Kein Schnittgewitter, bei dem wir außer bunten Farben nichts erkennen können.


Zack Snyders Version der
Justice League begreift die Tragweite eines Kampfes um den Planeten Erde und hetzt nicht einfach durch das Prozedere einer Teamfindung, um möglichst bald CGI-Action auf die Leinwand bringen zu können. Leider setzt er bei den Kämpfen zu sehr auf digitale Effekte, aber dazu komme ich später.
Snyder inszeniert die Liga als heterogene Gruppe, in der jede Figur ihre Eigenheiten und Ziele hat.
Genauso divers wie die Beweggründe, der Liga beizutreten oder sich ihr zu verchließen, sind auch die Ursprünge der Figuren.
Halbgötter wie Wonder Woman und Aquaman treffen auf einen jugendlichen The Flash mit Fanboy-Attitüden und auf einen Cyborg, der seinen Platz in der Welt erst noch finden muss. Über allem schwebt ein alternder Batman, der die Strippen zieht. Batman, die Ikone, die allerdings, und Snyder zeigt dies ganz deutlich, keine Superkräfte hat (What’s your superpowers again? – I’m rich.)

Batman ist dementsprechend immer etwas behäbig und immer auch etwas langsamer als die anderen.
Superman ist tot. Er stirbt im Vorgängerfilm und es braucht mehr als zweieinhalb Stunden, um ihn wiederzubeleben. Das ist eine Ansage, aber die Vorgehensweise ist verständlich, schließlich ist, wie sich zeigen wird, Superman für einen frühen Einsatz im Film zu mächtig.

Der Film verweist auch darauf, wenn gesagt wird, dass die Mutterboxen nicht aktiv wurden, als Superman noch lebte. Superman kann nur als ultima ratio zum Einsatz kommen.
Doch, so mächtig Superman auch ist, so ist er dennoch nicht unfehlbar.
Als er wiederbelebt wird, erkennt er niemanden und steht der Liga feindselig gegenüber. Das erste, was der Weltenretter nach seiner Wiederauferstehung dem Planeten bringt, ist Zerstörung. Erst der Anblick Lois Lanes bringt die Wendung.
Genau wie im Falle von Batman entmystifiziert Snyder hier den großen Superhelden.

Der Snyder-Cut der Justice League ist in sechs Abschnitte unterteilt, was einen guten Schachzug darstellt. Der Film, der wahrlich lang ist, kann so pausiert und wie eine Miniserie konsumiert werden. Auch unterstützt die Unterteilung die ruhige Erzählweise und bremst die innere Erwartungshaltung des Publikums, nach der es alsbald einen Kampf geben müsste.
Das Gute ist, dass es diese Kämpfe dennoch gibt.
Allein das Ergreifen der ersten Mutterbox durch Steppenwolf am Beginn des Films dauert sehr lange. Immer wieder versuchen die Amazonen, die Box zu greifen, zu verstecken, mit ihr zu fliehen.
Das eingangs erwähnte Sich-Zeit-Nehmen findet hier bereits Erfüllung.

Die Einteilung gibt Snyder auch die Möglichkeit der Exposition für jede Figur, ohne dass eigene Origin-Filme notwendig sind.
Dadurch wird der Film auch für jene Zuschauer*innen konsumierbar, die sich mit dem DCEU bislang noch nicht auseinandergesetzt hatten.

So schön und erfrischend ernst der Film auch ist, so gibt es doch ein paar Punkte, die mir so gar nicht gefallen mögen und die, wie ich glaube, dem Film über die Jahre schaden werden.
Oben bereits angesprochen, setzt der Film in den Kämpfen verstärkt auf computergestützte Animationstechnik. Dabei werden nicht nur die außerirdischen Kreaturen animiert, sondern auch zahlreiche irdische Figuren. Beinahe die gesamte Amazonenarmee inklusive der Pferde ist an irgendeiner Stelle am PC entstanden.

Sprechrollen wie Aquaman und Superman sind ebenso digitaler Teil der Inszenierung.

Dabei sind die Unterschiede zwischen realer Figur und Animation jedoch stark erkennbar, was den Kampfsequenzen etwas Unschönes verleiht.
Der Robotik-Spezialist Masahiro Mori schreibt in seinem Essay „The uncanny valley“ von der sogenannten Uncanniness. Er bezieht diese unter anderem auf Prothesen und ihr Verhältnis von visueller und funktioneller Künstlichkeit/Natürlichkeit.

Dabei gibt es Momente, in denen die Prothesen zwar natürlich aussehen, aber auf Grund ihrer Funktionalität noch in einer Künstlichkeit gefangen sind. Dies fällt Betrachter*innen auf und führt zu einem Gefühl des Unwohlseins. Anders verhält es sich mit natürlicher Funktionalität, aber künstlichem Aussehen. Hierbei ist Betrachter*innen eine Abstraktion möglich und damit eine beruhigende Trennung beider Faktoren.
Auf den Film bezogen bedeutet dies, dass wir Steppenwolf und die Alien-Armee problemlos genießen können, da sie künstlich aussehen, aber realistische Bewegungen ausführen, Superman und die Amazonenarmee hingegen nicht, da wir hier reale, menschliche Vorbilder haben, die in der Animation nicht vollkommen reproduziert werden können. Zudem sind die Bewegungen ein wenig zu algorithmisch.
Darunter leidet in kurzen Momenten die Bildästhetik und, da es solche Momente immer wieder im Film gibt, reihen sich die negativen Sinneseindrücke nach und nach aneinander.
Vielleicht hätte Snyder sich gut daran getan, hier und da auf practical effects zu setzen, ganz so, wie es einer der ausführenden Produzenten Christopher Nolan in seinen eigenen Filmen immer macht.
Eine weitere Sache, die ebenso mit Bildmanipulation zusammenhängt, ist der Einsatz von Slow Motion.

In Anbetracht der Tatsache, dass wir mit The Flash eine Figur haben, bei der ohnehin Geschwindigkeit, Zeit und entsprechende Visualisierungen eine wesentliche Rolle spielen, kurz gesagt, es einen enormen Einsatz von Slow Motion gibt, der es uns ermöglicht, die Bewegungen von The Flash nachzuvollziehen, gehört der Einsatz weiterer Verlangsamungen des Bildes reduziert.

Nicht jeder Auftritt einer Sprechrolle muss mittels Slow Motion zelebriert werden.
Wenn Steppenwolf zum xten Mal erscheint, reicht es, wenn er einfach ins Bild kommt. Wir werden ihn auch weiterhin als Bedrohung erkennen.
Wenn Wonder Woman irgendwelche Stunts vollführt, müssen diese ebenfalls nicht immer in Slow Motion präsentiert werden. Es mag sein, dass man den Körper von Gal Gadot so besser zur Geltung bringt und der Amazonenschrei, der wiederkehrend als musikalische Untermalung solcher Aktionen Verwendung findet, mag so auch besser wirken, aber es beraubt der ganzen Szene die Dynamik.

Dabei hat Snyder gezeigt, dass es auch anders funktionieren kann.
In der Szene, in der Wonder Woman die Menschen in der Bank rettet, demonstriert Snyder durch Bildüberlagerung und unscharfe Bewegungen die hohe Geschwindigkeit, mit der die Superheldin die Kugeln abfängt. Leider verzichtet der Regisseur im weiteren Verlauf des Films zunehmend auf diese Techniken.
Ein letzter Punkt, der mir nicht gefallen hat, betrifft das große Finale, in dem die Liga verliert und es dann The Flash ist, der auf Überlichtgeschwindigkeit beschleunigt, um so die Zeit zurückzudrehen.
Zugegeben, die Visualisierung des Prozesses, durch die wir die Ereignisse rückläufig betrachten, ist sehr ansprechend, aber die Aktion als solche, im Sinne eines Narrativs, wirkt billig.
Hat Snyder den Einsatz Supermans intelligenter Weise hinausgezögert, um ein triviales Overpowerment zu vermeiden, greift er hier auf Zeitreise zurück.
Es mag eine persönliche Aversion zu sein, aber ich kann Zeitreisen als Lösungsstrategien nicht leiden.
Das erinnert mich stets an Computerspiele. Bevor die Mission brenzlig wird, wird noch schnell gespeichert. Verliert man, wird so lange der alte Spielstand geladen, bis die Mission siegreich beendet werden kann.
Im 1978er Superman mag dies eine gute Idee gewesen sein, weil es etwas Besonderes und Neues war, aber heutzutage ist es nicht länger neu.

Da sehe ich lieber ausweglose Situationen und ein Versagen der Held*innen oder ein Sieg in letzter Sekunde mit äußerster Kraftanstrengung und einem Quäntchen Glück.

Alles in allem hat mir der Snyder Cut allerdings sehr gut gefallen und ich würde mich freuen, wenn sich weitere DCEU-Filme Justice League zum Vorbild nähmen, statt stupide einem Erfolg des MCUs hinterherzurennen.

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