Um es kurz zu machen. Das letzte Mal, dass mich ein Film mit diesem besonderen Gefühl der Vorfreude auf das Kommende zurückließ, war vor zwanzig Jahren.
Damals sah ich den ersten Teil der Der Herr der Ringe-Trilogie (Der Herr der Ringe: Die Gefährten, US/NZL 2001).
Sicherlich muss ich hier berücksichtigen, dass die Struktur der Filme dieses
Gefühl begünstigt, da auch im Falle von Dune: Part I kein eigenständiger Film,
sondern eine direkte Fortsetzung zu erwarten ist.
Anders verhält es sich mit Franchises, die zwar fortgesetzt werden, die aber
pro Film eine in sich abgeschlossene Erzählung präsentieren.
Ganz gleich, wie viele Post-Credit-Scenes ein Marvel-Film auch haben mag. Die
Erzählung des vorliegenden Films ist dennoch abgeschlossen.
Anders verhält es sich bei Dune: Part I.
Hier endet -Part One- mit einem Cliffhanger, mitten auf einer Reise und zugleich am Beginn einer weiteren Reise.
Denken wir
noch einmal zurück an Der Herr der Ringe: Die Gefährten. Der Kampf gegen die Uruk-Hai. Boromir
wird getötet, aber der Kampf an sich gewonnen, die Aufgabe gemeistert. Ein Teil
des Abenteuers ist abgeschlossen, aber die Reise als solche bei Weitem nicht.
Denken wir noch einmal zurück an das MCU. In irgendeiner Post-Credit-Scene wird
eine Figur oder ein Event angekündigt. Die Reise kann somit weitergehen, muss
sie aber nicht. Bis auf Weiteres ist alles auserzählt, die Welt gerettet, das
Böse besiegt.
Ich gebe Dune: Part I nach der ersten Sichtung 5/5 Sterne und ein dickes Like.
Vielleicht relativiert sich mein Blick im Laufe der Zeit, aber derweil bin ich voll im Hype. Ich habe lange auf diesen Film gewartet, ich kenne die Werke des Regisseurs, des Kameramanns, des Komponisten. Die Schauspieler*innen sind mit bekannt und sie in der Kombination zu erleben ist überwältigend. Dies alles kann meinen Blick lenken und ggf. trüben und zu diesem Zeitpunkt kann ich nichts Negatives über Dune: Part I sagen.
Ab diesem Punkt sind Spoiler zu finden.
Dune: Part I ist kompliziert.
Nicht ohne Grund finden sich im Anhang des Romans ein
Wörterbuch und ein Abriss über geschichtliche Ereignisse.
Immer wieder können wir als Leser*innen nachschlagen, können die Lexika nutzen,
um uns besser in der Welt des Buches „Dune“ zurechtzufinden.
Der Film Dune: Part I hat diesen Anhang nicht. Wenn gesagt wird, dass Jessica eine
Bene Gesserit ist, müssen wir das so hinnehmen. Wenn Paul mit verschiedenen
Messias-Titeln bedacht wird und sich mehrere Prophezeiungen in
unterschiedlichen Sprachen über ihn ergießen, müssen wir das so hinnehmen. Wir
können nur hoffen, dass uns der Film zu gegebener Zeit Erklärungen liefert oder
wir im Stande sind, Hinweise zu erkennen und zu deuten.
Dune: Part I ist
philosophisch.
In letzter Zeit hören und sehen wir immer mehr Universen. Alles,
was mehr als einen Film und mehr als eine Figur umfasst, gilt ein Universum.
Gerne wird hier eine Prämisse für eine Handlung überhöht und als Universum
dargestellt.
Wenn ich einen Film sehe, in dem Godzilla gegen Kong kämpft, ist es
übertrieben, gleich von einem Universum zu sprechen, da ich hier kaum mehr habe
als Godzilla und Kong, die gegeneinander kämpfen. Unter’m Strich handelt es
sich beim -Monsterverse- um eine Marketingstrategie.
Anders bei Dune: Part I. Hier haben wir es wirklich mit einem Universum zu schaffen.
Verschiedene Fraktionen und Völker haben unterschiedliche Regeln, Ideale und
Religionen. Es gibt Konflikte, die parallel zu einander existieren und auf
einander einwirken. Es gibt Politik und Wirtschaft und vor allem gibt es die
beiden großen Säulen filmischer Erzählung: Plot und Story.
Plot, die Handlung, die in den Bildern gezeigt wird.
Story, die Geschichte, die sich im Hintergrund abspielt.
Wenn in den Godzilla-Filmen von Titanen gesprochen wird, die es seit Urzeiten
gibt und die für eine Balance sorgen, dann wird hier durch die Story ein
Überbau geschaffen, der den Plot legitimieren und noch gewaltiger machen soll,
als er ohnehin schon nicht ist. Godzilla, das bedeutet Kaiju-Action. Godzilla,
das bedeutet Monster-Kloppe. Die Story ist hier kaum mehr als der Kitt zwischen
den einzelnen Szenen.
Dune: Part I verwebt einzelne Philosophien, Motivationen und Ereignisse zahlreicher
Fraktionen ganz fein in einander. Nichts erhält so viel Kraft oder Strahlkraft,
dass es die anderen Details überlagert, und so kommt es auch vor, dass einzelne
Details nicht vor inhaltlich, sondern auch formell sowohl im Vorder- als auch
im Hintergrund sind.
In einem Dialog zwischen Paul und Jessica sind beide Figuren gleichsam klar und
schemenhaft im Nebel zu sehen und in einer anderen Szene sehen wir Jessica, die
auf Grund ihrer Gesichtsbemalung beinahe mit dem Hintergrund zu verschmelzen
scheint.
Dune: Part I ist
religiös.
Der Film ist durchsetzt von Verheißungen, Träumen und Visionen, aber
im Gegensatz zu Matrix (US 1999) ist Paul kein Neo und die Verheißung kein monströser
Überbau, auf dessen Erfüllung alles hinausläuft. Pauls Träume kommen unerwartet
und wirken wie Störfaktoren im Fluss der Erzählung. Wann immer Paul einen Traum
hat, kommt die Erzählung zum Erliegen, wandelt sich das Bild von großen,
raumumfassenden Kameraeinstellungen zu nahen Perspektiven und Detailaufnahmen.
Die Bilder sind ruckartig und hier und da fällt es schwer, etwas zu erkennen.
Die Wahrwerdung der Visionen passiert dann ganz nebenbei und wird nicht
großspurig kommentiert.
Was Villeneuve hier betreibt, ist die echte Umsetzung der Maxime „show, don’t
tell“.
Dune: Part I ist
menschlich.
Die Romanreihe ist epochal. Die Namen der Figuren und Familien
klingen bedeutungsschwanger und natürlich sind Visionen und Träume, die durch
die Erzählungen schweben, kaum greifbar. Ein zentrales Artefakt im Dune-Kosmos
ist das Spice, Droge und Treibstoff zugleich, ein Wort, welches auf vielen
Ebenen gelesen werden kann.
Und, obwohl uns alles zunächst fremd erscheint und wir uns Stück für Stück der
Realität in Dune: Part I nähern müssen, sind wir in der Lage, schnell Zugang zu den
Figuren zu bekommen, da sie bei aller bedeutungsschweren Aufladung bodenständig
und menschlich erscheinen.
Jessica, die zwar einem rätselhaften Orden angehört, ist auch eine einfache
Mutter, Herzog Leto ein einfacher Vater und Paul ein Junge, der seine Ausbilder
als Freunde betrachtet und gleichsam als Freund und nicht nur als zukünftiger
Herrscher gesehen wird.
Dune: Part I ist
sterblich.
Von Anfang an wissen wir, dass Dune: Part I ein Zweiteiler sein wird. Wir
wissen auch, dass Schauspieler*innen ein Faktor auf dem Weg zum Erfolg eines
Films sind, wenn sie einen gewissen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad
besitzen.
Eigentlich sollten wir davon ausgehen können, dass die Figuren in Dune: Part I eine
gewisse Unsterblichkeit besitzen, dieses besondere Quäntchen Glück, dass es
ihnen ermöglicht, sich auch aus vermeintlich ausweglosen Situationen zu
befreien.
Eigentlich.
Dune: Part I wirkt auf vielen Ebenen und ist ein sehr komplexer Film, in dem nicht viel vorhersehbar ist oder groß angekündigt wird.
Die Konflikte sind zahlreich und Dune: Part I schafft den Spagat, der notwendigt ist, umdie politischen Dimensionen einerseits und Science-Fiction-Action andererseits einfangen zu können.
Ich freue mich außerordentlich auf Dune: Part II und frage mich schon jetzt, ob nicht auch ein Dreiteiler machbar gewesen wäre.
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