Wilson ist eine starke Persönlichkeit, die sicher vor der Kamera auftritt und Charakteren, die man eher bei Randgruppen vermutet, ein enormes Selbstbewusstsein verleiht.
Eigentlich habe ich mich sehr auf den neuen Film mit Rebel Wilson gefreut, allerdings – ist. Der. schlecht.
Senior Year versucht sich an einer Mischung aus Peggy Sue got Married (US 1986), 13 going on 30 (US 2004) und Der letzte Bulle (D 2010-2014) und scheitert dabei kläglich.
Der Film wirkt wie eine Patch Work Decke, bei der die einzelnen Flicken unterschiedlich groß sind und zudem zu wenig Garn vorhanden ist, um alles zu verbinden.
Wilson ist der einzige Grund, weshalb man sich den Film ansehen kann, da ihre Performance das einzige Moment ist, welches Leben und Dynamik in die Angelegenheit bringt.
Senior Year spielt mit dem Zeitgeist der political correctness.
Der Film versucht einerseits Ausdruck der correctness zu sein und versucht andererseits, selbige zu kritisieren.
Inklusion, gendergerechte Sprache, die Abkehr
vom klassischen Rollendenken und die Verminderung des Leistungsdrucks bilden
den Standard, in den Stephanie (Rebel Wilson) geworfen wird.
Doch anstelle, dass der unbedarften anachronistischen Person, die zwanzig Jahre
im Koma gelegen hat, der Wandel in der Denkweise und die Veränderungen einer
neuerlichen sexuellen Revolution genau erklärt werden, beschränkt sich die
Kommunikation auf seichte Korrekturen. „Schwul“ und „behindert“ dürfen nicht
mehr salopp verwendet werden und beim Cheerleading darf es keine obszönen
Gesten mehr geben.
Soziale Geschlechteridentifikationen abseits einer Heteronormativität bei geduldeter Homosexualität stellen keine Besonderheiten dar, ebenso wenig körperliche Äußerlichkeiten.
Dabei hat es in den letzten zwei Dekaden gerade in diesen Bereichen radikale Umbrüche gegeben.
Stephanie müsste fassungslos sein ob der 180°-Wendungen seit 2002, doch zeigt sie sich, wenn überhaupt, lediglich irritiert.
Was indes in den vergangenen zwanzig Jahren eine neue Qualität erhalten hat, ist das Lechzen nach Beliebtheit.
Hier versucht sich der Film an einer Tagesaktualität. Smartphones und Social Media sind allgegenwärtig und auch Stephanie lernt schnell, was Social Media ist und wie sie damit umzugehen hat.
Doch auch bei diesem Thema krankt der Film. Anstelle wenigstens an diesem Punkt Kritik zu üben und eine Doppelmoral aufzuzeigen, bildet Social Media im Film kaum mehr als eine Form der Kommunikation.
Die emotionalen Konsequenzen, wenn es digital einmal nicht rund läuft, werden nicht thematisiert und auch die Überinszenierung des eigenen Körpers fällt weg.
De facto gibt es in Senior Year kein Bodyshaming.
Die Welt im Film ist sozial perfekt und kennt nur positive Seiten. Klischees und Vorurteile werden trivialisiert und in Das-darf-man-aber-nicht-Manier abgekanzelt und diese Abkanzelung wird als gegeben angenommen.
Stephanies Probleme, ihre Schwierigkeiten, sich in die neue Zeit zu integrieren, und vor allem der Verlust eines wesentlichen Ziels ihrer Jugend, werden zu Befindlichkeiten degradiert und bekommen gerade einmal so viel Gewicht, dass sie handlungstreibend sind, aber keine diskutierfähigen Konsequenzen provozieren.
Am Anfang des Films (1999) ist Stephanie unscheinbar und wird als Freak belächelt. Sie trifft auf den Quarterback ihrer Schule, verliebt sich in ihn und beschließt drei Dinge. Sie will, Captain des Cheerleaderteams werden, sich den Quarterback angeln und sich zur Prom Queen wählen lassen.
In der Folge (verdeutlicht durch eine Montage)
trainiert sie, optimiert ihr Äußeres, optimiert ihre Beliebtheit, wird Captain
und beginnt eine Beziehung mit dem Quarterback. Dann kommt es zu einem Unfall.
Stephanie fällt ins Koma (2002) und erwacht zwanzig Jahre später.
Erwartungsgemäß hat sie alles, wofür sie gearbeitet hat, verloren –nicht
zuletzt ihre körperliche Fitness.
Dass Stephanie nun äußerlich nicht mehr die Gleiche ist, wird in dem Film nicht ein einziges Mal thematisiert. Zwar haben wir im Jahr 2022 eine wachsende Denkweise im Sinne einer Body Positivity, doch stellt diese (nur) eine Gegenbewegung dar zum extremen Körperkult, der nicht zuletzt durch die Influencer*innen der Social Media extrem vorangetrieben wird.
Ich finde es sehr schön, dass sich der Film Body Positivity und Gender Equality widmet, doch macht er es sich dabei viel, viel, viel, viel zu einfach.
Je länger der Film dauert (und mit 111 Minuten ist der Film sehr lang), desto mehr Fragen stellen sich mir, desto mehr Dinge geschehen und Figuren handeln, weil das Drehbuch es fordert, nicht, weil es organische Konsequenzen der Handlung sind.
Hierdurch werden die einzelnen Elemente der Handlung ihrer Kohärenz enthoben. Der Film verliert erst seinen roten Faden und dann seine Aussage.
Am Schluss beraubt sich Senior Year seiner eigenen Existenzgrundlage.
Während Stephanie den ganzen Film über halbherzig gemaßregelt wird, steigt sie am Schluss als Gewinnerin aus. Ihr Verhalten bleibt rückwärtig geprägt und die Rahmenbedingungen haben sich auch nicht geändert.
Alles in allem glänzt der Film vor durch seine Belanglosigkeit.
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