Zum einen hatte ich mir im Vorfeld den Trailer angesehen.
Hierin wird ein blankpoliertes, im Rahmen eines maritimen Umfeldes
könnten wir auch aalglattes schreiben, rotes titelgebendes Seeungeheuer
gezeigt, dann ein Sturm, eine Insel und eine Vielzahl kleiner blauer Miniungeheuer
mit großen Glupschaugen.
Das große rote Ungeheuer ist böse, die Miniungeheuer sind niedlich und so
schwante mir Übles.
Das Narrativ schien klar. Die Monster gelten als gefährlich und die Wandlung
des Helden besteht darin, zu erkennen, dass nicht alle Monster so sind wie das
rote, dass wir nicht oberflächlich urteilen dürfen und so weiter und so weiter.
Mein zweiter Eindruck bestand in der Kenntnis über die FSK von kinderfreundlichen 6 Jahren und beide Eindrücke zusammengenommen ließen mich und meine Erwartungshaltung nicht über einen gleichgültigen Ruhepuls hinausgehen.
Mehr aus einem Gefühl einer Pflichterfüllung heraus schaltete ich den Film dennoch ein und schnell wurde ich eines Besseren belehrt.
Kaiju-Action meets Fluch der Karibik (US 2003) meets Vaiana (US 2016)
ist wohl die knappste, aber auch zutreffendste Beschreibung des Films und auch wenn Das Seeungeheuer nicht blutig ist, so möchte ich in Frage stellen, ob wirklich alle sechsjährigen Kinder diesen Film problemlos verarbeiten können.
Im Groben gesehen ist der Film voll und ganz durchschnittlich und in drei Abschnitte (gemeint sind nicht Akte) zu unterteilen.
Anfangs gibt es eine Bedrohung und die nötigen Figuren werden
eingeführt.
Dann kommt die bereits angesprochene Sequenz auf der Insel, in der der Weg der
Läuterung begründet wird und schließlich kommt es zur Diskussion des Konflikts
zwischen den geläuterten Held*innen und den übrigen Figuren, die noch dem alten
Narrativ anhängen.
Die Animation des Ozeans ist ganz großes Kino, die übrigen Grafiken entsprechen dem gängigen Standard für animierte Familienunterhaltung.
Weshalb ich den Film dennoch sehr mag, liegt darin begründet, dass die drei Abschnitte mit Bedacht inszeniert werden und so immer wieder mit Erwartungshaltungen brechen.
Die anfänglichen Kämpfe, und es gibt derer drei, sind brutal und nicht ohne Body Count. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich vermutete hinter dem Seeungeheue eine Variation von Drachen zähmen leicht gemacht (US 2010). Die Drachen dort sind im Endeffekt Hunde mit Flügeln und entsprechend spielerisch sehen auch die Kämpfe aus.
Das Seeungeheuer hingegen zieht alle erlaubten Register und schickt so manche namenlose Figur endgültig über die Planke. Dabei spielt der Film mit dem Narrativ des unsterblichen Helden, der den Film überleben soll, und hält bis zum Schluss in der Schwebe, ob und wenn ja welche Sprechrolle ebenfalls sterben könnte.
Wie in einem Godzilla-Film kämpfen Monster auch untereinander und auch hierbei geben sie sich ordentlich auf die Mütze.
Die Kämpfe sind enorm erwachsen und genau hier bricht der Film mit meinen Erwartungen hinsichtlich der Altersfreigabe.
Der Teil, der auf der Insel spielt, gestaltet sich erfreulicher Weise
ebenfalls anders als ich zunächst glaubte.
Natürlich kommt hier das Stereotyp des Nicht-alle-sind-böse zum Tragen und wie
so oft in der Familienunterhaltung ist es das Kind, welches den Erwachsenen
etwas lehrt und nicht umgekehrt.
Ich hatte angenommen, dass dieser Abschnitt des Films einen Großteil der
Erzählung ausmachte und dass am Ende eine Mensch-Monster-Allianz geschlossen würde.
Der Film entscheidet sich anders, lockert die Geschehnisse auf der Insel auf, vermengt sie mit einem weiteren Handlungsstrang, der parallel erzählt wird, und bietet auch hier einen Kampf, den wir getrost als amtlich bezeichnen können.
Im dritten Abschnitt, in dem die allgemeine Lösung des Konflikts vorangetrieben wird, bekommt der Film entgegen meiner Erwartung, eine ungeahnte Tiefe, die moralisch und politisch zugleich ist.
Nicht auf einer allgemeinen Ebene, die an die Erkenntnisse einer Bauernregel erinnert, sondern ganz plastisch prangert der Film das imperialistische Machtgehabe an, welches seit Jahrtausenden unsere Geschichtsbücher füllt.
Dabei sind hier und da Details rund um das fiktive Schiff „Monarch“ Teil des Films, die es uns ermöglichen, eine Identifikation mit den Figuren zu schaffen, ohne dass wir durch eine konstruierte Abfolge von Ereignissen dazu gedrängt werden.
Das Seeungeheuer ist anders als erwartet und sehr erwachsen. Dabei ist der Film aber auch Grenzgänger. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Abwechslungen in der Tonalität auf manche Zuschauer*innen irritierend wirken. Insgesamt machen allerdings gerade diese Abwechslungen den Film sehenswert und heben ihn an vom Einheitsbrei der Filme, die ohne diese Einfälle ähnliche Narrative vor sich hertreiben.
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