Im folgenden Text kommt es zu massiven Spoilern, was mir allerdings völlig egal ist, da diese Kritik auch als Warnung vor dem Film zu verstehen ist.
Eine Abwandlung des Highlander (US 1986) -Mythos zu erzählen ist eine
integre Sache.
Es ist völlig in Ordnung, die Unsterblichkeit des Körpers durch eine
Unsterblichkeit der Seele zu ersetzen und Erlebnisse der Vergangenheit mit dem
Phänomen des Déjà-vus zu verbinden.
Dann noch die Action an das Jahr 2021 anpassen, eine passable Liebesgeschichte inkludieren
und fertig ist der Film, der nichts anders erzählt als der Klassiker aus den 1980er
Jahren und dennoch etwas Eigenes darstellt.
Das Problem mit Infinite (US 2021) ist jedoch, dass er trotz der Vorlage eben nicht wie Highlander ist, und dies liegt eindeutig am Drehbuch.
Infinite ist ein durch und durch generischer Film nach Schema F. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden, doch um trotzdem vom Publikum positiv aufgenommen zu werden, muss sich die Handlung organisch entwickeln. Selbst wenn wir wissen, was als nächstes passiert und worauf alles hinausläuft, müssen die einzelnen Ereignisse unter Berücksichtigung der Gesetzmäßigkeiten der filmischen Welt logisch aufeinander aufbauen.
Und genau an dieser Stelle scheitert der Film.
Die Ereignisse in Infinite geschehen, weil das Drehbuch es vorsieht, nicht aber, weil sie die Konsequenz vorangegangener Momente sind, und das ist schade, da der Film so überhaupt keine Freude bereitet.
Die ohnehin flachen Figuren, mit denen wir uns nicht identifizieren können, da weder Plot noch Story sie unterfüttern, verkommen mit jeder Filmminute mehr zu belanglosen Formen.
Die Action an sich ist in Ordnung, doch orientiert sich auch die Physik im Film am Drehbuch, nicht aber an der filmischen Welt.
Erwähnt sei als Beispiel ein Kampf auf einem Flugzeug während des Fluges. Der Protagonist Evan
hat ein Schwert bei sich. Dieses verwendet er einerseits zum Kämpfen,
andererseits möchte er es in das Flugzeug rammen, um Halt zu haben, doch dies
misslingt, da die Klinge nicht im Flugzeug stecken bleibt.
Dann vollführt der Pilot plötzlich waghalsige Manöver, durch die der Protagonist
ernsthaft in Gefahr gerät. Er versucht erneut das Schwert als Spieß zu nutzen und auf
einmal funktioniert der Trick perfekt.
Wir müssen schon sehr das Hirn ausschalten, um Ungereimtheiten zu übersehen.
Natürlich werden hier reale Naturgesetze zu Gunsten der Action vernachlässigt. Darauf verweist der Film schon ganz zu Beginn, als ein Ziegelstein auf spektakuläre Weise durch die Luft fliegt, aber wie bereits erwähnt, muss der Film in seiner Physik kohärent sein. Es geht nicht, dass Gesetzmäßigkeiten je nach Bedarf ein- oder ausgeschaltet werden.
Ebenso werden vermeintliche Plot-Points mangelhaft erzählt.
Wieder geht es um Evan, der von Mora aufgegriffen wird und zur geheimen Basis gebracht werden soll. Da Evan nichts von seiner unsterblichen Seele weiß und der Auffassung ist, an Schizophrenie erkrankt zu sein, weigert er sich, Mora, die ihm von seiner Übernatürlichkeit berichtet, zu glauben. Er ist sehr standhaft in seinem Misstrauen dieser für ihn mysteriösen Frau gegenüber und dann sagt Evan wie aus dem Nichts heraus folgende Sätze:
„Weißt Du, es gibt da eine Frage, die ich mir gerade stelle. Was, wenn die verrückteste Erklärung –und das ist echt verrückter Scheiß- tatsächlich die erste ist, die irgendwie Sinn ergibt? Ich muss ja nicht noch die Katze füttern, also lass uns gehen.“ (0h31‘-32‘)
Nein, lieber Evan. Es ergibt gar keinen Sinn, dass Du von einer Sekunde auf die andere anfängst, an unsterbliche Seelen und einen immerwährenden Kampf zwischen Gut und Böse zu glauben.
Dann steigen übrigens beide Figuren in ein Flugzeug und die Handlung hat einen Sprung getan.
Dieser Kommentar von Evan ist dermaßen an den Haaren herbeigezogen, dass es schmerzt, ihn zu hören. Unweigerlich müssen wir an die Worte des Jokers aus The Dark Knight (US 2008) denken, die in diesem Zusammenhang beinahe weise klingen.
„Nicht gleich auf dem Kopf. Das verwirrt das Opfer.“ (1h27‘)
Und als Opfer von Gewalteinwirkung gegen den Kopf dürfen wir uns wohl bezeichnen, wenn wir Infinite schauen.
Aber es sind nicht nur unmotivierte Wortbeiträge, die den Film zu einem Lehrstück des Wie-Es-Nicht-Geht machen.
Wie bereits angesprochen, sind die Figuren eindimensional geschrieben, weshalb es umso wichtiger ist, dass wenigstens die Motivation des Überlebens glaubhaft präsentiert wird.
Die Figuren, um die es geht, sind sterbliche Menschen mit unsterblichen Seelen. Sobald der Mensch, also die sterbliche Hülle, das Zeitliche segnet, verlässt die Seele den Körper und wandert weiter. Sie erhält eine neue Hülle und beginnt ein neues Leben.
Unterm Strich ist es somit unmöglich, vollends zu vergehen.
An dieser Stelle tritt Bathurst, der Bösewicht des Films auf den Plan. Er
hat eine Waffe entwickelt, mit der er die hüllenlosen Seelen einfangen kann.
Eine Reinkarnation der Seelen, also die Wiedergeburt in einem neuen Körper,
wird so unterbunden und begründet die Motivation des Überlebens.
Blöd nur, dass die Seelen nicht vernichtet, sondern wirklich eingefangen und
auf einer Art Computerfestplatte gespeichert werden. Somit muss nur jemand die
Festplatte zerstören und schon sind alle Seelen wieder frei.
Da der Film keine Endzeitstimmung verbreitet, sondern versucht, ein Actionfilm zu sein, findet sich selbstverständlich eine Figur, die die rettende Zerstörung der Festplatte herbeiführt.
Auch wenn wir den Film zum ersten (und einzigen) Mal sehen, wissen wir, dass dieser Moment passieren wird, da der Film bestimmten Mustern folgt und wir schon viele Filme dieser Art gesehen haben.
Von einigen Infinits, so nennen sich die unsterblichen Seelen, heißt es, dass sie mit der Zeit derart machtvoll werden können, dass sie ähnlich wie bei Matrix (US 1999) das Potential entwickeln, die Realität zu verändern.
Evan, der während des ersten Drittels des Films keine Kenntnis darüber hat ein Infinit zu sein, der nahezu den ganzen Rest des Films über damit hadert und nicht weiß, wie er seine Fähigkeiten einsetzen soll, findet im Finale urplötzlich zu jener Macht.
Sein Gegner hingegen, eine der mächtigsten und ältesten Seelen der Geschichte, findet diese Macht nicht.
Was haben sich die Autoren des Drehbuchs dabei nur gedacht?
Wäre dieser Film postdramatisch angelegt und handelte er von einer Art Sinnlosigkeit des Handelns, verstände ich die in Gänze fehlenden Konsequenzen total. Doch Inifinite ist im Gegenteil sehr dramatisch angelegt. Es gibt eine Drei-Akte-Struktur, eine Heldenreise (wenn auch sehr verkrüppelt), eine Ziel (ebenso banal) und Figuren, die mehr schlecht als recht darauf hinarbeiten.
Aber die Krönung des schlechten Geschmacks liegt in der Besetzung der
Garrick durch die Schauspielerin Liz Carr.
Carr macht Ihre Sache sehr gut. Wie auch andere namhafte Schauspieler*innen,
ist der Film dank ihr gut besetzt. Liz Carr ist seit ihrer Geburt an einer Gelenksteife erkrankt und sitzt
beinahe ihr ganzes Leben lang im Rollstuhl.
In Infinite spielt sie die Hüterin des Hauptquartiers und ist das Computer-Mastermind der Gruppe.
In einer Szene wird das Hauptquartier von den Bösen gestürmt. Die unheimlich intelligente Garrick kann selbstverständlich nicht fliehen und wird umgebracht.
Dieser Moment des Films ist nicht nur dumm und schlecht, sondern
regelrecht pervers.
Die Atmosphäre des Desinteresses am nichtvorhandenen Schicksal der
Figuren ist zu diesem Zeitpunkt des Films schon so ausgereift, dass wir den Tod
Garricks nicht nur nicht bedauern. Vielmehr müssen wir uns fragen, was die
Filmemacher*innen, allen voran der Regisseur Antione Fuqua, sich dabei gedacht
haben, die Figur der Garrick in eine ausweglose Situation zu manövrieren, bei
deren Betrachtung wir uns unter Umständen für sie freuen, da die intelligente
Seele nun die Möglichkeit hat, die fehlerhafte Hülle zu verlassen und gegen
eine intakte Hülle einzutauschen.
Infinite ist ein schlechter Film, der keinen Sinn hat, und als einzige Botschaft eine Art Minderwertigkeit von Menschen mit Behinderung kommuniziert.
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