Filme wie diesen wird es in Zukunft wohl nicht mehr viele geben, denn in Top Gun: Maverick (US 2022) wurde die Zeit zurückgedreht.
Nicht auf diegetischer Ebene. Top Gun:
Maverick ist kein Kostümdrama zu Zeiten alter Könige und Kaiser, auch
spielt der Film nicht unmittelbar nach den Ereignissen aus Top Gun (US
1986).
Vielmehr wurde hier ideologisch durch die Zeit gereist.
Die Guten sind immer die Guten, die Bösen
sind immer die Bösen und am Ende kriegt der Held das Mädchen.
Top Gun: Maverick ist nicht komplex. Es gibt keinen philosophischen Überbau, keinen allegorischen Charakter und kein Objekt oder System, wodurch eine Geschichte erzählt wird, die eine andere Geschichte verschleiert.
Wir alle kennen die Theorie der Erzählung
hinter der Erzählung in Top Gun. Denken wir uns die Flugzeuge weg,
können wir zwei Männer sehen, die ihre Beziehung zueinander erforschen.
Das “Top Gun”-Programm als Fassade für die homoerotische Liebelei zwischen
Maverick und Iceman.
Diese Theorie wird in Top Gun: Maverick nicht fortgeführt. Hier gibt es niemanden, für den man immer der Wingman sein kann. Stattdessen wird ein Konflikt zwischen Maverick und Rooster hochgehalten. Anstelle einer etwaigen Homosexualität wird Vaterschaft und väterliche Fürsorge diskutiert.
Doch können wir dem Film diesen Konflikt nicht abnehmen. Zu dünn ist die Konfliktmasse an sich. Wir erhalten zwar Information über den Ursprung des Streits, erfahren aber auch, dass diese Information Teil eines Geheimnisses ist. Am Ende scheint das Problem gelöst, aber das Geheimnis wird nach wie vor bewahrt, was uns zeigt, dass der Konflikt nie echt war.
Auch die Liebesgeschichte zwischen Maverick und Penny ist kaum mehr als ein Pausenfüller zwischen den Szenen, die wirklich von Interesse sind.
In Top Gun: Maverick gibt es keine
Meta-Ebene, die uns irgendetwas vermitteln möchte.
Der wahre Konflikt des Films ist der Film selber.
Gleich zu Beginn befasst sich Top Gun: Maverick mit der Frage nach Mensch oder Maschine. Sollen in Zukunft wirklich noch Kampfpiloten in Kampffliegern zum Einsatz kommen oder sind Drohnen die bessere Wahl?
“The Medium is the message” könnten wir in
Anlehnung an Marshall McLuhan sagen und damit zum eigentlichen Kern des Films
überleiten.
Top Gun: Maverick ist nämlich Handwerk auf höchstem Niveau - und unterm
Strich ist der Film nichts anderes. Kunstvoll inszeniertes Handwerk.
So sehr Komplexität in der Kinolandschaft
notwendig und auch gut ist, so schön ist es, mit Top Gun: Maverick einen
Film zu haben, der geradlinig ist und diese Linie von A bis Z verfolgt, man mag
sagen, zelebriert.
Alles, was in Top Gun: Maverick an Plot und Story passiert, ist ohne Belang und erfüllt
einzig den Zweck, den Film als solches zu rechtfertigen.
Es gibt die eindeutig Guten, es gibt das eindeutig Böse. Dabei empfinden wir Sympathien für die Guten und bekommen das Böse unpersönlich und so eben eindimensional präsentiert.
Das Szenario ist gerade gut genug für ein
Image-Video, und genau genommen ist Top Gun: Maverick nichts anderes als
das. Image für die Navy, Image für die USA, Image für Tom Cruise.
2021 wollte Tom Cruise als erster Mensch im Weltall drehen, bereits 2011 hing
er selber außen am Burj Khalifa (Mission
Impossible: Ghost Protocol (US 2011)) und nun sitzt er selber in einem
Kampfjet und jagt durch die Luft.
Top Gun: Maverick ist ein adrenalingeladenes Fest für die Augen, bei dem man sieht, dass
vieles einfach echt ist. Echte Maschinen, echte (wenngleich inszenierte)
Luftkämpfe und echte Aufnahmen aus den Cockpits.
Und dann gibt es noch das
Einfach.
Nicht.
Enden.
Wollende.
Finale des Films.
Allein dafür war es schon wert, den Film zu drehen.
Dass der Film etwas zu clean und einfach zu schön daherkommt, können wir vernachlässigen. Natürlich funktioniert am Ende alles ein klein wenig zu sehr wie am Schnürchen, gibt es ein paar zu glückliche Wendungen.
Aber das können wir Top Gun: Maverick verzeihen, da der Film nie mehr sein möchte, als er ist -einfach geil.
Und so kommen wir zurück zum Ausspruch
McLuhans, nach dem das Medium selbst die Botschaft ist.
Wenn im Film gefragt wird, ob menschliche Piloten noch zeitgemäß sind, wird
gleichzeitig die Frage gestellt, ob die Fortsetzung eines Films 36 Jahre später
noch zeitgemäß ist und es wird auch gefragt, ob Filme, die vor 36 Jahren
funktionierten, auch heute noch machbar sind.
Von daher ist die strukturelle Einfachheit von Top Gun: Maverick nicht unbedingt als dessen Mangel anzusehen. Vielmehr konzentriert sich der Film auf seine Kernkompetenz und setzt diese technisch optimal um.
Alles, was in der Luft spielt, ist
atemberaubend. Das Pacing ist auf den Punkt und so ist es unmöglich, Top
Gun: Maverick nicht zu mögen. Die Spannung ist immer präsent und wie immer
in Filmen, in denen es ein Training oder einen Lehrgang gibt, ist die
entsprechende Montage eine coole Party.
Top Gun: Maverick ist ein 80er-Jahre-Militär-Action-Film in 4K.
Sehr gut analysiert und beschrieben. Mad Max: Fury Road war der letzte Film dieser Art, auf den sich im Erscheinungsjahr jeder einigen konnte. Die technische Kompetenz ist in beiden Filmen auf höchstem Niveau, wenngleich man die Genres nicht direkt vergleichen kann. Aber die pure kinetische Energie, die sich auf der Leinwand entfaltet ist in beiden Fällen schlichtweg atemberaubend. Schön, dass es wieder so einen Film gegeben hat. Hoffentlich haben die Studios gut zugeschaut und genehmigen wieder öfter solche Extravaganzen.
AntwortenLöschenLieber Mensch,
LöschenVielen Dank für Deinen Kommentar.
Schön, zu sehen, dass Dir mein Text gefällt.