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Deadpool & Wolverine (US 2024)

Der dritte Teil der Deadpool-Reihe, Deadpool & Wolverine, zeigt eindrücklich, wie wenig Anstrengung notwendig ist, um die Massen abzuholen.

Auf eine sinnvolle Handlung kann weitgehend verzichtet werden. Das Einzige, was zählt, sind bekannte Gesichter und triviale Schaueffekte, die ebenso bekannt sind und vielleicht nicht grundsätzlich, wohl aber in der Masse funktionieren.
Frei nach dem Motto, wenn man etwas oft genug macht, wird auf jeden Fall eine Version dabei sein, die am Ende auch den Letzten zum Lachen bringt.
Und so ist es auch.
Die Gagdichte ist einmal enorm. Sie ist enorm hoch, enorm meta, enorm referenzierend, enorm infantil und enorm repetitiv.
Wer behauptet, jeden Joke lustig zu finden, hat echt gar kein Selbstwertgefühl, aber unterm Strich ist dann doch für jede*n etwas dabei.

Und so beginnt der Film gleich mit einem Cold Opener, wie auch die anderen Filme unmittelbar in die Action eingestiegen sind, nur um dann direkt die vierte Wand zu durchbrechen und dem ganzen Publikum zu kommunizieren, welche Art Film hier gerade gezeigt wird.

Und da ist auch gleich eine der großen Schwächen des Films -das zwanghafte Reden mit dem Publikum.
Auch wenn Deadpool (Ryan Reynolds) eine Figur ist, die darum weiß, eine Comicfigur zu sein, auch wenn diese Momente auch in den Comics Anwendungung finden und sogar eine eigene Comicreihe ermöglicht haben, so bedeuten Verfremdungseffekte jedes Mal einen Bruch mit er Immersion, die das Medium Film mit sich bringt.
Handlungen werden unterbrochen, eine erzeugte Atmosphäre jäh zerstört. Doch anstatt dies in besonderen Momenten als die ultimative Pointe zu präsentieren, bricht Deadpool derart häufig mit der Fassade des Mediums, dass man nie das Ende des Films erlebte, gäbe es zeitgleich ein Trinkspiel, das einen Schnaps verlangte, jedes Mal, wenn der maskierte Merch with a Mouth out of character agierte.

Dass, was Deadpool ausmacht und was eine Besonderheit im gesamten (studioüberschreitenden) Marvel-Kosmos ausmacht, wird übertrieben eingesetzt und ist am Ende mehr ein Störfaktor als ein Stilmittel.

Ob das allerdings nicht doch beim Publikum auf Gegenliebe stoßen kann, kann freilich zur Diskussion gestellt werden. In einer Welt, in der der persönliche Geschmack den gleichen Stellenwert wie eine Meinung erhalten soll, und in der die "Fast and Furious"-Reihe satte zehn Teile zählt, ist alles möglich.

Wenn Deadpool & Wolverine erfolgreich sein sollte, dann, weil er es mit einem Publikum zu tun hat, die unkritisch einfach alles mögen, solange ihnen auch nur irgendetwas bekannt vorkommt.


Wie der Titel bereits verrät, spielt Wolverine (Hugh Jackman) eine große Rolle und so steigt Deadpool & Wolverine damit ins Thema ein, dass die rote Labertasche den Leichnam des in Logan (US 2017) verblichenen Mitglieds der X-Men (Hugh Jackman) exhumiert. Kurz darauf erscheinen Agenten der TVA und versuchen, Deadpool festzunehmen. In der nun einsetzenden Rückblende wird erklärt, weshalb die Agenten erscheinen und dann geht die Handlung auch schon weiter.
Deadpool muss einen lebenden Wolverine finden, um seine Welt zu retten, weshalb er nun durch das Multiverse reist, untermalt von viel Klamauk Kontakt zu den Logans anderer Welten aufnimmt und schließlich auch den richtigen Variant für den Job findet.

Was folgt ist eine Reihe von Szenen, in denen sich beide ordentlich aufs Fressbrett geben und dabei nicht zuletzt auch ihre jeweilige Umgebung amtlich in Schutt und Asche legen.

Ebenfalls mit am Start sind diverse Pop- und Rocksongs, zahlreiche Referenzen und ebenso viele Nebenrollen aus anderen Filmen.


Um es kurz zu machen, Deadpool & Wolverine hat hier durchaus Schauwerte und angenehme Action zu bieten und hier und da zündet auch ein Gag, aber davon abgesehen mangelt es dem Film an allen Ecken und Enden.
Die Handlung ist schlicht nicht gut.

Zu oft ergeben sich Situationen oder Auswege aus selbigen, weil das Drehbuch sie verlangt, nicht weil sie sich organisch aus der Erzählung ergeben.

Das Ganze erinnert ein wenig an Bill und Teds verrückte Reise durch die Zeit (US 1989). Kurz vor Abschluss ihres Abenteuers durch Raum und Zeit sehen sich die beiden Helden vor einer Handvoll Schwierigkeiten. Sie beschließen, später nochmals durch die Zeit zu reisen, um rechtzeitig Lösungen für diese Schwierigkeiten zu platzieren , die ihnen dann in der jeweiligen Gegenwart helfen.

Bei Bill und Ted funktioniert das. Die Trickserei wird in die Handlung integriert und passt wunderbar zu Figuren und Plot.


Bei Deadpool & Wolverine ist dies ähnlich, nur nicht gut. Die beiden Chaoten werden an einen Ort verbannt, den man The Void nennt. Als die Lage brenzlig wird und sie unbedingt von dort fliehen müssen, verkündet eine Figur plötzlich, ein besonderes Artefakt zu besitzen, dass ihnen dabei helfen kann. Schwups, sind beide Helden wieder in Sicherheit.

Als kurz darauf die Lage erneut aussichtslos erscheint, taucht wie aus heiterem Himmel eine andere Figur auf und ermöglicht so einmal mehr die Flucht.

Nichts davon ist greifbar und in sich schlüssig.
Hinzu kommt, dass die Bedrohung nie echt ist. Wir haben es bei diesem Film nicht mit einem Drama zu tun, bei dem der Ausgang ungewiss ist, und das ist auch gut. Es besteht überhaupt nicht die Notwendigkeit, dem Film eine tragische Wendung zu verleihen oder damit zu drohen. Aber dann sollte der Film auch so konstruiert sein, dass die einzelnen Puzzleteile trotz ihrer Vorhersehbarkeit intelligent ineinander greifen.


Seit Teil Eins der Reihe ist das höchste Bestreben Deadpools Teil der Marvel-Familie zu werden. Er möchte ein X-Men sein, gründet dann seine eigene X-Force und nun hat er die Möglichkeit, bei den ganze Großen mitzuspielen. Dies wird nicht nur im Film kommuniziert, sondern ist seit der Übernahme von FOX durch Disney auch auf dem wirtschaftlichen Papier möglich. Und so ist Deadpools Identitätskrise auch im dritten Teil ein Themenschwerpunkt.
In einer Tour wird gegen FOX geschossen und ein Kampf findet sogar vor einem im Sand liegenden zerstörten FOX-Logo statt.
Aber mehr noch geht der Titelheld mit seinem neuen Eigentümer Disney ins Gericht.
Es wird ausgeteilt, was das Zeug hält. Die miserable finanzielle Bilanz, der Mangel an guten Ideen und der viel zu intensive Gebrauch von Multiverse-Narrativen bilden nur ein paar der zugegebenermaßen harschen Spitzen gegen den Mediengiganten.
Doch unterm Strich ist die Kritik handzahm und einmal mehr erinnert Deadpool & Wolverine an einen anderen Film. In Barbie (US 2023) erzählt Greta Gerwig nicht nur eine intelligente Geschichte (wenngleich sie weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt), sondern übt auch Kritik an der Barbiepuppe einerseits und an dem Mattel-Konzern andererseits. Doch, wie hart kann eine Kritik an einem Unternehmen sein, welches den Film selbst produziert?

Ja, die Filme und Serien seit Avengers: Endgame (US 2019) waren nicht konsequent brillant. Manche Formate überzeugten nicht das Publikum, andere nicht die Kritik und der finanzielle Erfolg blieb auch hier und da auf der Strecke. Das sind aber alles harte Fakten, die niemand, nicht einmal Disney selbst, leugnen kann, und diese als Kritik im Kostüm eines Gags anzubringen, zeugt nicht von Mut oder bissigen Witz.

Und es hat auch einen gewissen Beigeschmack, wenn Deadpool einerseits das Multiverse verdammt, dann aber der gesamte Film auf Multiverse ausgelegt ist. Es ist das Ziel, die Zerstörung einer Welt in dem Multiverse unendlicher Welten zu verhindern. Anfangs gibt es zudem eine Montage, die das Multiverse nutzt, und gegen Ende der Kampf gegen einhundert Deadpool-Variants, für die auch noch bekannte Schauspieler*innen gecastet wurden. Es ist daher zweifelhaft, darin eine Stärke des Films zu sehen, wenn die verschiedenen an der Produktion beteiligten Instanzen zwar Wasser predigen, am Ende aber literweise Wein saufen.


Fazit: Deadpool & Wolverine macht Laune, wenn man in der Lage ist, das Hirn abzuschalten.
Action, infantile Penis- und Hinternwitze, der ein oder andere echt gute Cameo-Einfall und ein grandios aufspielender Channing Tatum ermöglichen ein vergnüglichen Filmerlebnis.
Wer aber das Hirn einschaltet, sich auch mit den Meta-Witzen beschäftigt und Anteil am erzählten Abenteuer nimmt, hat zwei lange Stunden Film vor sich.

Der Film hat einige Einfälle, die für sich genommen gut sind. Doch in Verbindung mit den übrigen Szenen bilden sie lediglich eine Abfolge von Stationen und Momenten, nicht aber einen einheitlichen Film.


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