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Late Night With The Devil (AUS 2023)

Das Selbstverständnis von Late Night with the Devil sieht den Film in der realen Welt verankert. Zwar wird mit „Night Owls“ eine fiktionale TV-Show präsentiert, doch wird diese in die Tradition und vor allem direkten Konkurrenz zu realen Late Night Talkshows, insbesondere die US-amerikanischen Talkshow-Legende Jimmy Carson, gesetzt und gibt damit von sich aus an, wahr und von gleicher Wichtigkeit zu sein.

Late Night with the Devil beginnt nicht nur, wie so viele Filme dieser Tage, mit einer nostalgiebeladenen Montage über das jeweilige Jahrzehnt, in diesem Fall die 1970er Jahre, sondern geht sogleich über in ein Portrait über die Hauptfigur Jack Delroy (David Dastmalchian). Dazu gibt es eine begleitende Stimme aus dem Off. Sie kommuniziert alle notwendigen Informationen, um Delroy und die Sendung einzuordnen. Nochmals wird so der Charakter des Wahren verstärkt. Es wird zudem auf einen geheimen Kult namens „The Grove“ und damit auf die real existierende Organisation „Bohemian Grove“ verwiesen sowie auf eine Sekte, die zwar fiktiv ist, aber dem Peoples Temple von Jim Jones ähnelt.
Am Ende dieser Einführung richtet sich die Erzählerstimme direkt an uns, das Publikum.
Es läge das Masterband der Aufzeichnung Halloween-Folge von 1977 vor, heißt es  und wir hätten nun die Gelegenheit, einen unverblümten Blick auf die tatsächlichen Ereignisse aus jenem vielleicht verhängnisvollen Abend zu werfen.
In dieser Folge hat Delroy verschiedene Gäste eingeladen. Den Beginn macht dabei ein Mann (Faysal Bazzi), der vorgibt, ein Medium zu sein und mit Seelen aus dem Totenreich kommunizieren zu können, gefolgt von einem Skeptiker (Ian Bliss) und schließlich einer Ärztin (Laura Gordon) nebst einer Patientin (Ingrid Torelli), die von einem Dämon besessen zu sein scheint.

Der Verlauf der Sendung und die damit einhergehende Echtzeit bilden das Fundament für die gesamte Handlung des Films und es ist ein durchaus interessantes Konzept, welches hier verfolgt wird.
Der gezeigte Film, das angebliche Masterband, soll das Publikum den Ereignissen aus „Night Owls“ hilflos aussetzen. Es soll Zeuge werden von dem, was an jenem schicksalhaften 31. Oktober im Jahr 1977 live im Fernsehen geschah. Gleichzeitig soll ein Blick hinter die Kulissen während der Werbeunterbrechungen ermöglicht werden.
Late Night With the Devil spielt sich somit auf zwei Ebenen ab, einerseits der tatsächlichen Sendung, die in Farbe ausgestrahlt wird, und andererseits aus Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die all das zeigen, was sich backstage abspielt. Und genau darin besteht vielleicht die Faszination aber auch das Problem des Films.

Nehmen wir für einen Augenblick an, das Gezeigte wäre tatsächlich das Masterband der Ausstrahlung, so bestünde es aus einer Filmrolle und nicht aus mehreren. Entweder haben wir es mit dem TV-Bild zu schaffen und müssen damit leben, dass in regelmäßigen Intervallen Unterbrechungen geschehen oder die Kamera in den Pausen gegebenenfalls einen unbespielten Teil des Studios filmt, oder wir haben das Backstage-Material zur Hand und damit einen exponierten Blick aus erster Hand sowohl während der Showelemente als auch während der Unterbrechungen.
Tatsächlich wird aber eine solide zusammengeschnittene und aufbereitete Version aller möglichen Blickwinkel präsentiert, inklusive Split-Screen während der Werbeunterbrechungen, wodurch wir an mehreren Orten gleichzeitig sein können. Ebenfalls werden wir Zeuge von privaten Unterhaltungen, was uns einen ausgefeilten Rundumblick erlaubt.
Gegen Ende  verliert sich der Film zudem in einer Art Traumsequenz.
Late Night with the Devil ist somit nicht ein Film, sondern derer drei, bestehend aus der konkreten Folge von „Night Owls“, dokumentarischem Begleitmaterial und den individuellen Erfahrungen der Hauptfigur.
Entgegen der einleitenden Versprechung bietet also weniger eine außergewöhnliche Seherfahrung, sondern stellt einen durchschnittlichen Film dar, der vorgibt, außergewöhnlich zu sein.

Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat einmal vom Verhältnis zwischen Form und Inhalt geschrieben und kam dabei zu dem Schluss, dass hier eine Wechselwirkung vorliegt. Die Form fordert dabei den Inhalt, während der Inhalt ebenso nach einer bestimmten Form verlangt. Zwar ist es möglich, einen Inhalt in verschiedene Formen zu kippen, doch beeinflusst dies das Ergebnis und damit etwaige Lesarten des Inhalts. Gleichzeitig verliert die Form an Funktion, wenn der Inhalt nicht den gegebenen Parametern genügt.

Found-Footage, also das gefundene Material, lebt davon, unmittelbar zu sein. Es ist eine besondere Form, die Inhalt und Publikum in ein besonderes Näheverhältnis bringt und entsprechend wirkt.
Found-Footage kann nicht zu den Seiten ausbrechen. Das, was es beinhaltet, bildet den gesamten verfügbaren Kosmos des Darstellbaren. Prinzipiell trifft dies auf alle Formen und von Film zu, aber im Falle von Found-Footage zehrt das Erlebnis des Schauens von der außergewöhnlichen Enge und etwaigen Mängeln, wenn etwa die Kamera ein Stück zu weit links ist oder das Licht eine Idee zu grell.
Das ist das Besondere daran. Fügt man dem bestehenden Material zusätzlichen Stoff aus einer anderen Quelle hinzu und schneidet es ineinander, wird mit der Form gebrochen. Aus dem gefundenen lebensechten Material wird ein arrangierter Gegenstand.
Ein distanzierterer auktorialer Blick auf die Diegese ist die Basis der allermeisten Filme und offensichtlich ein Konzept, das einwandfrei funktioniert, doch korreliert diese Herangehensweise  dann auch mit der narrativen Idee des jeweiligen Films und enthebt sie der Enge.
Im Fall von Late Night With the Devil haben wir es mit zwei Quellen von Found-Footage zu tun und damit mit zwei verschiedenen, sich ergänzenden Blicken.

Der erste Blick ist klar die Aufzeichnung der Sendung, die Kombination der einzelnen Kameras, die das Geschehen auf der Bühne dokumentieren und das widerspiegeln, was auch das Publikum 1977 live im Fernsehen hatte sehen können.
Der zweite Blick, das schwarz-weiße Backstage-Material, verankert das TV-Bild der ersten Quelle und hilft dem Publikum von Late Night with the Devil, sich zu orientieren.
Dieser zweite Blick kommt immer dann zum Tragen, wenn in der Aufzeichnung gerade Werbung eingespielt wird. Während dieser Zeit gibt es in der Handlung keinen Fortschritt. Das Backstage-Material ist reine Exposition und bemüht sich, den Figuren Tiefe zu geben und sie zueinander in Verbindung zu setzen. Das bringt uns zwar nicht weiter, aber es beruhigt uns. Ob es allerdings gut ist, wenn sich das Publikum bei einem Horrorfilm immer wieder beruhigen und neu akklimatisieren kann, ist fraglich, zumal sich der zweite Blick nicht nur inhaltlich vom ersten stark unterscheidet. Bereits erwähnt wurde die Farbgebung des zweiten Blicks. Hinzu kommt, dass der zweite Blick nicht mit den ruhigen und annähernd stationären Studiokameras aufgenommen wird, sondern mit einer mobilen Handkamera. Das irritiert und führt dazu, dass wir immer wieder aus der Immersion des TV-Erlebnisses herausgerissen werden.
Zwei Formen, die zwei unterschiedliche Inhalte kommunizieren, kombiniert zu einem Film.

Fazit: Zweifelsfrei ist Late Night with the Devil atmosphärisch gut ausgestattet und Dastmalchian legt eine gute Performance hin, aber der formale Aufbau des Films bildet keine runde Sache. Durch die Zweigleisigkeit in der Inszenierung steht sich der Film selbst im Weg.
Late Night with the Devil schöpft aus diversen Inspirationen und jede einzelne wird gut umgesetzt. Die Figurenkonstellationen sind sehenswert und die stete Ungewissheit, ob das, was zu sehen ist, tatsächlich geschieht oder doch nur das Ergebnis widriger Umstände oder gar Betrug ist, bilden die Stärken des Films, aber ich würde mich freuen, könnte ich einmal beide Linien des Films separat voneinander betrachten.
Nirgends steht geschrieben, dass das Publikum immer über alles Bescheid wissen muss, und gerade die Unwissenheit wäre dem Horror bestimmt zuträglich.

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