Das Selbstverständnis von Late Night with the Devil sieht den Film in der realen Welt
verankert. Zwar wird mit „Night Owls“ eine fiktionale TV-Show präsentiert, doch
wird diese in die Tradition und vor allem direkten Konkurrenz zu realen Late
Night Talkshows, insbesondere die US-amerikanischen Talkshow-Legende Jimmy
Carson, gesetzt und gibt damit von sich aus an, wahr und von gleicher
Wichtigkeit zu sein.
Late Night with the
Devil beginnt nicht nur, wie so viele Filme dieser Tage, mit einer
nostalgiebeladenen Montage über das jeweilige Jahrzehnt, in diesem Fall die
1970er Jahre, sondern geht sogleich über in ein Portrait über die Hauptfigur
Jack Delroy (David Dastmalchian). Dazu gibt es eine begleitende Stimme aus dem
Off. Sie kommuniziert alle notwendigen Informationen, um Delroy und die Sendung
einzuordnen. Nochmals wird so der Charakter des Wahren verstärkt. Es wird zudem
auf einen geheimen Kult namens „The Grove“ und damit auf die real existierende
Organisation „Bohemian Grove“ verwiesen sowie auf eine Sekte, die zwar fiktiv
ist, aber dem Peoples Temple von Jim Jones ähnelt.
Am Ende dieser Einführung richtet sich die Erzählerstimme direkt an uns, das
Publikum.
Es läge das Masterband der Aufzeichnung Halloween-Folge von 1977 vor, heißt es und wir hätten nun die Gelegenheit, einen
unverblümten Blick auf die tatsächlichen Ereignisse aus jenem vielleicht
verhängnisvollen Abend zu werfen.
In dieser Folge hat Delroy verschiedene Gäste eingeladen. Den Beginn macht dabei
ein Mann (Faysal Bazzi), der vorgibt, ein Medium zu sein und mit Seelen aus dem
Totenreich kommunizieren zu können, gefolgt von einem Skeptiker (Ian Bliss) und
schließlich einer Ärztin (Laura Gordon) nebst einer Patientin (Ingrid Torelli),
die von einem Dämon besessen zu sein scheint.
Der Verlauf der Sendung und die damit einhergehende Echtzeit
bilden das Fundament für die gesamte Handlung des Films und es ist ein durchaus
interessantes Konzept, welches hier verfolgt wird.
Der gezeigte Film, das angebliche Masterband, soll das Publikum den Ereignissen
aus „Night Owls“ hilflos aussetzen. Es soll Zeuge werden von dem, was an jenem
schicksalhaften 31. Oktober im Jahr 1977 live im Fernsehen geschah.
Gleichzeitig soll ein Blick hinter die Kulissen während der
Werbeunterbrechungen ermöglicht werden.
Late Night With the Devil spielt sich
somit auf zwei Ebenen ab, einerseits der tatsächlichen Sendung, die in Farbe
ausgestrahlt wird, und andererseits aus Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die all das
zeigen, was sich backstage abspielt. Und genau darin besteht vielleicht die
Faszination aber auch das Problem des Films.
Nehmen wir für einen Augenblick an, das Gezeigte wäre tatsächlich das
Masterband der Ausstrahlung, so bestünde es aus einer Filmrolle und nicht aus
mehreren. Entweder haben wir es mit dem TV-Bild zu schaffen und müssen damit
leben, dass in regelmäßigen Intervallen Unterbrechungen geschehen oder die
Kamera in den Pausen gegebenenfalls einen unbespielten Teil des Studios filmt,
oder wir haben das Backstage-Material zur Hand und damit einen exponierten
Blick aus erster Hand sowohl während der Showelemente als auch während der
Unterbrechungen.
Tatsächlich wird aber eine solide zusammengeschnittene und aufbereitete Version
aller möglichen Blickwinkel präsentiert, inklusive Split-Screen während der Werbeunterbrechungen,
wodurch wir an mehreren Orten gleichzeitig sein können. Ebenfalls werden wir
Zeuge von privaten Unterhaltungen, was uns einen ausgefeilten Rundumblick
erlaubt.
Gegen Ende verliert sich der Film zudem in
einer Art Traumsequenz.
Late Night with the Devil ist somit
nicht ein Film, sondern derer drei, bestehend aus der konkreten Folge von
„Night Owls“, dokumentarischem Begleitmaterial und den individuellen
Erfahrungen der Hauptfigur.
Entgegen der einleitenden Versprechung bietet also weniger eine außergewöhnliche
Seherfahrung, sondern stellt einen durchschnittlichen Film dar, der vorgibt,
außergewöhnlich zu sein.
Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat einmal vom
Verhältnis zwischen Form und Inhalt geschrieben und kam dabei zu dem Schluss,
dass hier eine Wechselwirkung vorliegt. Die Form fordert dabei den Inhalt,
während der Inhalt ebenso nach einer bestimmten Form verlangt. Zwar ist es
möglich, einen Inhalt in verschiedene Formen zu kippen, doch beeinflusst dies
das Ergebnis und damit etwaige Lesarten des Inhalts. Gleichzeitig verliert die
Form an Funktion, wenn der Inhalt nicht den gegebenen Parametern genügt.
Found-Footage, also das gefundene Material, lebt davon,
unmittelbar zu sein. Es ist eine besondere Form, die Inhalt und Publikum in ein
besonderes Näheverhältnis bringt und entsprechend wirkt.
Found-Footage kann nicht zu den Seiten ausbrechen. Das, was es beinhaltet,
bildet den gesamten verfügbaren Kosmos des Darstellbaren. Prinzipiell trifft
dies auf alle Formen und von Film zu, aber im Falle von Found-Footage zehrt das
Erlebnis des Schauens von der außergewöhnlichen Enge und etwaigen Mängeln, wenn
etwa die Kamera ein Stück zu weit links ist oder das Licht eine Idee zu grell.
Das ist das Besondere daran. Fügt man dem bestehenden Material zusätzlichen
Stoff aus einer anderen Quelle hinzu und schneidet es ineinander, wird mit der
Form gebrochen. Aus dem gefundenen lebensechten Material wird ein arrangierter
Gegenstand.
Ein distanzierterer auktorialer Blick auf die Diegese ist die Basis der
allermeisten Filme und offensichtlich ein Konzept, das einwandfrei funktioniert,
doch korreliert diese Herangehensweise dann auch mit der narrativen Idee des
jeweiligen Films und enthebt sie der Enge.
Im Fall von Late Night With the Devil
haben wir es mit zwei Quellen von Found-Footage zu tun und damit mit zwei
verschiedenen, sich ergänzenden Blicken.
Der erste Blick ist klar die Aufzeichnung der Sendung, die
Kombination der einzelnen Kameras, die das Geschehen auf der Bühne
dokumentieren und das widerspiegeln, was auch das Publikum 1977 live im
Fernsehen hatte sehen können.
Der zweite Blick, das schwarz-weiße Backstage-Material, verankert das TV-Bild
der ersten Quelle und hilft dem Publikum von Late Night with the Devil, sich zu orientieren.
Dieser zweite Blick kommt immer dann zum Tragen, wenn in der Aufzeichnung
gerade Werbung eingespielt wird. Während dieser Zeit gibt es in der Handlung
keinen Fortschritt. Das Backstage-Material ist reine Exposition und bemüht
sich, den Figuren Tiefe zu geben und sie zueinander in Verbindung zu setzen.
Das bringt uns zwar nicht weiter, aber es beruhigt uns. Ob es allerdings gut
ist, wenn sich das Publikum bei einem Horrorfilm immer wieder beruhigen und neu
akklimatisieren kann, ist fraglich, zumal sich der zweite Blick nicht nur
inhaltlich vom ersten stark unterscheidet. Bereits erwähnt wurde die Farbgebung
des zweiten Blicks. Hinzu kommt, dass der zweite Blick nicht mit den ruhigen
und annähernd stationären Studiokameras aufgenommen wird, sondern mit einer
mobilen Handkamera. Das irritiert und führt dazu, dass wir immer wieder aus der
Immersion des TV-Erlebnisses herausgerissen werden.
Zwei Formen, die zwei unterschiedliche Inhalte kommunizieren, kombiniert zu
einem Film.
Fazit: Zweifelsfrei ist Late
Night with the Devil atmosphärisch gut ausgestattet und Dastmalchian legt
eine gute Performance hin, aber der formale Aufbau des Films bildet keine runde
Sache. Durch die Zweigleisigkeit in der Inszenierung steht sich der Film selbst
im Weg.
Late Night with the Devil schöpft aus
diversen Inspirationen und jede einzelne wird gut umgesetzt. Die
Figurenkonstellationen sind sehenswert und die stete Ungewissheit, ob das, was
zu sehen ist, tatsächlich geschieht oder doch nur das Ergebnis widriger
Umstände oder gar Betrug ist, bilden die Stärken des Films, aber ich würde mich
freuen, könnte ich einmal beide Linien des Films separat voneinander
betrachten.
Nirgends steht geschrieben, dass das Publikum immer über alles Bescheid wissen
muss, und gerade die Unwissenheit wäre dem Horror bestimmt zuträglich.
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